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Reiter-Kurier · April 2017

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REPORTAGE

Ein Schimmel ist

heimlicher Hauptdarsteller

SCHNAITSEE/MÜNCHEN

„Alteza“ ist Schauspieler. Dass er vier Hufe hat, ist auf der Bühne

kein Problem. Nur seine Hinterlassenschaften muss jemand anderes wegräumen.

„Alteza“ fährt mit dem Pferde-

anhänger zur Arbeit. Er parkt in der

noblen Maximilianstraße, marschiert

zum Hintereingang des Residenzthea-

ters und fährt im Lastenaufzug in den

ersten Stock – völlig gelassen. Das ist

Alltag für den PRE-Wallach. Und doch

starren Passanten ihn und seine Besit-

zerin Bärbel Obersojer-Zimmermann

regelmäßig an. Wann steht ein Pferd

schon im Aufzug? „Er kennt das Pro-

zedere. Dahinter steckt jahrelanges

Training“, sagt die Filmtiertrainerin.

Auf Gut Harpfing bei Schnaitsee berei-

tet sie eine ganze Reihe Filmstars auf

ihre Auftritte vor - vom Schwein bis

zum Panther. Und natürlich kameraer-

fahrene Pferde wie Alteza eines ist. Er

hat schon Werbespots für Uhrenher-

steller gedreht und Models in Hoch-

glanzmagazinen gut aussehen lassen,

Hardy Krüger jr. und Veronika Ferres

ritten schon auf ihm. Und nun eben

Robin Hood. Barbara Obersojer-Zim-

mermann war in die Entwicklung des

Stücks mit eingebunden, um eine Rol-

le für ein Pferd zu schaffen. Schon ein

Jahr vorher begann sie, das Training

in Altezas Alltag daheim auf Gut Har-

pfing einzubauen. „Ich habe ihn regel-

mäßig über Riffelblech gehen lassen,

dass er sich an den Boden und die Ge-

räusche im Aufzug gewöhnt“, erzählt

die Filmtiertrainerin. Mehrmals war

sie mit ihm vor der Premiere in Mün-

chen, um das Aufzugfahren zu üben.

Denn die Bühne befindet sich im er-

sten Stock. Von Vorteil ist, dass Alte-

za barhuf geht und auf dem glatten Bo-

den nicht so rutscht, wie es mit Huf-

eisen der Fall wäre. Dass es hinter der

Bühne fast stockdunkel ist, stört den

Schimmel keine Spur. Neugierig spitzt

er die Ohren, hört den Dialogen auf der

Bühne zu. „Er weiß genau, dass er jetzt

gleich dran ist.“

Ursprünglich als

Weihnachtsauffüh-

rung gedacht, ist „Ro-

bin Hood“ am Resi-

denztheater

schon

mehrmals verlängert

worden. Ein echtes

Pferd auf der Bühne?

Das begeistert die Zu-

schauer! Und die Darsteller ebenso.

Sie begrüßen Alteza wie einen Kolle-

gen, verteilen Streicheleinheiten und

nehmen sich Leckerli aus dem Eimer,

den Barbara Obersojer-Zimmermann

am Bühnenrand deponiert hat. Der

Schimmel drängt jetzt Richtung Büh-

ne, steckt die Nase durch den Vorhang

und kann seinen Einsatz offensichtlich

kaum erwarten. Nach der ersten Hälf-

te wird die Kulisse umgebaut, dann ist

er dran. Der Wallach parkt sich schon

mal an den großen Tisch in der Mitte

der Bühne. Und während Requisiteure

und Schauspieler um ihn herum wu-

seln, döst er noch eine Runde, bevor

sich der Vorhang hebt. Robin Hood

und seine Gefährten werden ihn später

mit Säcken voller Gold beladen, danach

reitet der Rächer der Witwen und Wai-

sen am Bühnenrand entlang – und am

johlenden Publikum vorbei. Die Film-

tiertrainerin ist ebenfalls kostümiert,

geht zur Sicherheit mit und muss heu-

te erstmals einen Haufen von der Büh-

ne entfernen. „Normalerweise äpfelt er

immer im Anhänger. Das hat er heute

nicht getan, ich war schon darauf vor-

bereitet“, meint sie grinsend. Wenn am

Ende der Sheriff von Nottingham be-

siegt ist und sich alle Darsteller verbeu-

gen, muss auch Alteza nochmal vors

Publikum. Anfangs war das gar nicht

vorgesehen. „Aber die Zuschauer wol-

len ihn nochmal sehen, er ist der heim-

liche Hauptdarsteller.“

Alteza macht seinen Job mit ei-

ner Selbstverständlichkeit, als würde

er daheim in Harpfing über die Weide

trotten. „Dabei ist er gar nicht so mu-

tig, wie er tut“, sagt Barbara Oberso-

jer-Zimmermann. Sie kennt den Cha-

rakter des 16-Jährigen PRE. Er brau-

che emotionalen Rückhalt, sagt sie.

Und den gibt sie ihm. Die Trainerin ist

die Ruhe in Person, ihre Tiere vertrau-

en ihr blind. „Sie brauchen Sicherheit.

Wenn ich völlig gelassen bin, wissen

sie, dass es keinen Grund zur Beunru-

higung gibt. Und dann können sie auf

der Bühne als Profis glänzen.“

Text/Bilder:

Judith Schmidhuber

Filmtiere

brauchen

jemanden, der ihnen

Sicherheit gibt“

Barbara Obersojer Zimmermann,

Filmtiertrainerin

Barbara Obersojer-Zimmer-

mann fährt ihr schauspie-

lerndes Pferd nach München

und mit dem Lastenaufzug

auf die Bühne.