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Reiter-Kurier · April 2017

Gerten und

Glitzerndes

I

ch brauche nichts. Außer vielleicht

ein Rundballen-Heunetz und ein

Ersatzfell für meinen Sattelgurt.

Eine spartanische Einkaufsliste für ei-

nen Besucher auf der Equitana. Aber ich

möchte ja eigentlich Vorführungen und

bekannte Trainer sehen. Aus sämtlichen

Bereichen der Reiterei sind Experten in

Essen. Weil viele Vorführungen gleich-

zeitig auf mehreren Reitplätzen statt-

finden, hat man als Besucher die Qual

der Wahl. Ich habe mir vorgenom-

men, möglichst viele Produkte zu te-

sten. Also setze ich mich in einen spa-

nischen Vaquero-Sattel und schlüpfe

in einen isländischen Reitoverall, trage

einen 729-Euro-teuren Dressur-Frack

und setze ultraleichte Reitkappen auf.

Hochmoderne Sicherheitswesten und

Magnetfeldtherapie-Decken sind oh-

ne Frage sinnvoll aber sehr kostspielig.

Leistbar dagegen sind praktische Er-

findungen wie Gummihandschuhe mit

Noppen, mit denen sich ein Pferd wa-

schen und gleichzeitig massieren lässt.

Es geht mir aber auch um die Wei-

terbildung. Zum Gang ins medizinische

Gruselkabinett muss ich mich aber erst

überwinden. Hier sieht man sämtliche

Körperteile im Querschnitt und sogar

ESSEN

Die größte Reitsportmesse erfordert die größte Tasche und sorgfältiges Zeitmanagement.

eine echt atmende Pferdelunge und ein

schlagendes Herz. Das aufgeschnitte-

ne Pferdebein samt beweglicher Sehne

ist mir dann aber doch zu viel. Dann lie-

ber wieder lebendige Pferde: Ernst Pe-

ter Frey lässt Quarter Horses auf Altcali-

fornisch tanzen, der Verein der Damen-

sattelreiter erklärt die einseitige Hilfen-

gebung. Bundeswehrsoldaten zeigen,

wie sie ihre Mulis beladen und bei den

Vorträgen imKeller höre ichmir an, wie

man als Pferdebesitzer

den richtigen Therapeut

fürs Tier auswählt.

Laut lachen muss ich, als ein Mäd-

chennebenmir auf Linda Tellington-Jo-

nes deutet und fragt, warum da eine

Oma reitet. Den Generationenunter-

schied macht sie noch deutlicher, als sie

gleich danach zu „Ostwind“-Trainerin

Kenzie Dysli marschiert, bei der sich ei-

ne Schlange junger Mädchen um Erin-

nerungsfotos anstellt. Bei Bernd Hackl

sind es eher ältere Messebesucher, die

dem „Pferdeprofi“ die Hand schütteln

wollen. Ingrid Klimke erwische ich völ-

lig allein und total entspannt. Selbstver-

ständlich ist das nicht, was mir mehrere

Aussteller erzählen: Der Messealltag ist

anstrengend. Auch für die Pferde: „Wun-

dert euch nicht, dass er nicht mehr so

schnell galoppiert“, erklärt ein Cowgirl

bei der Präsentation der EWU.

Schade finde ich, dass viele bedeu-

tende Hersteller nicht vertreten sind.

Auch der Bereich Laufstall und Huf-

schuhe kommt für meine Verhältnisse

zu kurz. Dafür ist langsame Heufütte-

rung ein großes Thema: Es gibt Spar-

netze, Spielzeuge und Holzboxen, aus

denen Pferde durch einen Lochrah-

men Heu zupfen müssen. Ich könnte

an gefühlt jedem zweiten Stand Mäh-

nen-Glitzerspray und Westen für das

nächste Working Equitation Turnier

kaufen. Schabracken und karierte So-

cken gibt es in allen Farben und der

Trend zu den Glitzersteinen auf der

Reitaussrüstung ist auch nicht zu über-

sehen. Und so viele Gerten! Die trägt so

ziemlich jeder Messebesucher mit sich

herum. Ich treffe Gloria aus Pleiskir-

chen, die mir begeistert ihre neue Reit-

leggins zeigt – mit Silikonnoppen und

pinken Punkten. Doris aus Töging te-

stet auf einemHolzpferd sitzend Fran-

klinbälle und erklärt mir, wozu sie gut

sind. Bei einem ungarischen Gerber er-

stehe ich ein flauschiges Lammfell für

meinenWesternsattel – inklusive Mes-

Warum reitet

da eine Oma?“