

34
Reiter-Kurier · April 2017
Gerten und
Glitzerndes
I
ch brauche nichts. Außer vielleicht
ein Rundballen-Heunetz und ein
Ersatzfell für meinen Sattelgurt.
Eine spartanische Einkaufsliste für ei-
nen Besucher auf der Equitana. Aber ich
möchte ja eigentlich Vorführungen und
bekannte Trainer sehen. Aus sämtlichen
Bereichen der Reiterei sind Experten in
Essen. Weil viele Vorführungen gleich-
zeitig auf mehreren Reitplätzen statt-
finden, hat man als Besucher die Qual
der Wahl. Ich habe mir vorgenom-
men, möglichst viele Produkte zu te-
sten. Also setze ich mich in einen spa-
nischen Vaquero-Sattel und schlüpfe
in einen isländischen Reitoverall, trage
einen 729-Euro-teuren Dressur-Frack
und setze ultraleichte Reitkappen auf.
Hochmoderne Sicherheitswesten und
Magnetfeldtherapie-Decken sind oh-
ne Frage sinnvoll aber sehr kostspielig.
Leistbar dagegen sind praktische Er-
findungen wie Gummihandschuhe mit
Noppen, mit denen sich ein Pferd wa-
schen und gleichzeitig massieren lässt.
Es geht mir aber auch um die Wei-
terbildung. Zum Gang ins medizinische
Gruselkabinett muss ich mich aber erst
überwinden. Hier sieht man sämtliche
Körperteile im Querschnitt und sogar
ESSEN
Die größte Reitsportmesse erfordert die größte Tasche und sorgfältiges Zeitmanagement.
eine echt atmende Pferdelunge und ein
schlagendes Herz. Das aufgeschnitte-
ne Pferdebein samt beweglicher Sehne
ist mir dann aber doch zu viel. Dann lie-
ber wieder lebendige Pferde: Ernst Pe-
ter Frey lässt Quarter Horses auf Altcali-
fornisch tanzen, der Verein der Damen-
sattelreiter erklärt die einseitige Hilfen-
gebung. Bundeswehrsoldaten zeigen,
wie sie ihre Mulis beladen und bei den
Vorträgen imKeller höre ichmir an, wie
man als Pferdebesitzer
den richtigen Therapeut
fürs Tier auswählt.
Laut lachen muss ich, als ein Mäd-
chennebenmir auf Linda Tellington-Jo-
nes deutet und fragt, warum da eine
Oma reitet. Den Generationenunter-
schied macht sie noch deutlicher, als sie
gleich danach zu „Ostwind“-Trainerin
Kenzie Dysli marschiert, bei der sich ei-
ne Schlange junger Mädchen um Erin-
nerungsfotos anstellt. Bei Bernd Hackl
sind es eher ältere Messebesucher, die
dem „Pferdeprofi“ die Hand schütteln
wollen. Ingrid Klimke erwische ich völ-
lig allein und total entspannt. Selbstver-
ständlich ist das nicht, was mir mehrere
Aussteller erzählen: Der Messealltag ist
anstrengend. Auch für die Pferde: „Wun-
dert euch nicht, dass er nicht mehr so
schnell galoppiert“, erklärt ein Cowgirl
bei der Präsentation der EWU.
Schade finde ich, dass viele bedeu-
tende Hersteller nicht vertreten sind.
Auch der Bereich Laufstall und Huf-
schuhe kommt für meine Verhältnisse
zu kurz. Dafür ist langsame Heufütte-
rung ein großes Thema: Es gibt Spar-
netze, Spielzeuge und Holzboxen, aus
denen Pferde durch einen Lochrah-
men Heu zupfen müssen. Ich könnte
an gefühlt jedem zweiten Stand Mäh-
nen-Glitzerspray und Westen für das
nächste Working Equitation Turnier
kaufen. Schabracken und karierte So-
cken gibt es in allen Farben und der
Trend zu den Glitzersteinen auf der
Reitaussrüstung ist auch nicht zu über-
sehen. Und so viele Gerten! Die trägt so
ziemlich jeder Messebesucher mit sich
herum. Ich treffe Gloria aus Pleiskir-
chen, die mir begeistert ihre neue Reit-
leggins zeigt – mit Silikonnoppen und
pinken Punkten. Doris aus Töging te-
stet auf einemHolzpferd sitzend Fran-
klinbälle und erklärt mir, wozu sie gut
sind. Bei einem ungarischen Gerber er-
stehe ich ein flauschiges Lammfell für
meinenWesternsattel – inklusive Mes-
Warum reitet
da eine Oma?“