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Reiter-Kurier · Juni 2017

REPORTAGE

Nicht nur das Pferd hat eine schlechte Seite. Ein Gymnastikkurs für Reiter macht einem

die eigenen Defizite klar und führt vor Augen, wie Körperbewusstsein die Hilfen beeinflusst.

P

ferde gibt’s im Kursraum

Trostberg keine. Statt-

dessen sitzen wir auch

Gymnastikbällen und

Kursleiterin Christine Gi-

neiger lässt uns zum Aufwärmen auf-

und abschwingen. Die Pferdeosteopa-

thin und Human-Physiotherapeutin

hat sich auf Sitzschulungen speziali-

siert – und gibt Reitergymnastik-Kur-

se. Sie weist uns an, abwechselnd die

Beine zu heben, die Schultern und Ar-

me zu kreisen und uns auf unsere Hän-

de zu setzen. „So spürt ihr eure Sitz-

beinhöcker, wie im Sattel auch. Welche

Seite spürt ihr mehr?“, fragt sie in die

Runde. Links, denke ich mir und be-

komme sogleich eine Antwort auf mei-

ne ungestellte Frage: „Beim geradeaus

Reiten sollen beide Seiten gleich bela-

stet werden.“ Gebe ich meinem Pferd

also ständig verkehrte Signale? Die Er-

kenntnis schockiert mich ein bisschen

– und dabei hat die Stunde noch nicht

einmal angefangen.

Die Trainerin lässt uns als näch-

stes das Kreuz anspannen, eine in der

Reitstunde geläufige Anweisung. Und

ich sitze auf meinem Gymnastikball

und habe keine Ahnung wie das geht.

„Was ist eigentlich das Kreuz?“, fragt

Gott sei Dank eine ältere Dressurrei-

terin auf dem Ball mir gegenüber. Ei-

gentlich sei dabei die Rede vom Kreuz-

bein, also dem unteren Rücken, klärt

uns Christine Gineiger auf. Und damit

das klappt, braucht es zwei gerade nach

unten zeigende Sitzbein-

höcker. Die mobilisieren

wir jetzt, indem wir die

Hüften nach links und

rechts schieben, erst

langsam, dann schneller.

Die Sache wird anstren-

gend. Hallo Bauchmuskeln! Daran an-

knüpfend eine Denkaufgabe: Wir sol-

len den Drehsitz üben, als würden wir

unser Pferd biegen. „Eure Schulter geht

in die Richtung der Pferdeschulter und

die Hüfte in die Richtung der Pferde-

hüfte.“ Ich verstehe wieder nur Bahn-

hof und kann der Diskussion der an-

wesenden Westernreiter nicht ganz

folgen, die debattieren, ob ein Quar-

ter Horse fürs Schulter herein weniger

Einwirkung brauche. Ich weiß zumin-

dest, dass meinWallach nur durch eine

Kippbewegung mit dem Becken anga-

loppiert. Was genaumein Körper sonst

tut, darüber mache ich mir nie groß

Gedanken. Sollte ich vielleicht mal.

Die Trainerin löst die Diskus-

sion auf, indem sie zum Leichttra-

ben übergeht – immer noch auf den

Gymnastikball sitzend. „Wenn ihr den

Oberkörper zu gerade haltet, plumpst

ihr viel zu sehr in den Sattel. Schiebt

ihr ihn dagegen in Pferdebewegung

nach vorn, ist viel sanfteres Einsit-

zen möglich.“ Das ist freilich anstren-

gender, weil man den Schwung ab-

fangen muss. Aber Reiten soll ja ein

Sport sein, wird mir langsam wieder

klar. Damit wir unsere Körper mehr

unter Kontrolle haben, lässt uns Chri-

stine Gineiger unsere Becken rotieren

und die hintere Oberschenkelmusku-

latur trainieren, um effektiver Trei-

ben zu können. Noch ein paar Gleich-

gewichtsübungen, die ich mehr oder

weniger gut auf die Reihe bekomme.

Ich strecke

beimReiten

die Zunge heraus“

Wer hat seinen

Körper unter

Kontrolle?