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Reiterkurier · August 2016
Mineralisieren - aber richtig!
Vom Sinn und Unsinn mancher Futterergänzungen
A
uch wenn der Markt derzeit
zu einer „natürlichen Fütte-
rung“ tendiert, darf unter kei-
nen Umständen vergessen werden,
dass der tägliche Nährstoffbedarf des
Pferdes gedeckt werdenmuss. Wer sein
Pferd ausschließlich mit Heu füttert,
um dem derzeitigen Trend des getrei-
defreien Fütterns gerecht zu werden,
muss langfristig über dieses Thema
nachdenken, da sonst sein Pferd nach-
haltig in Gefahr gerät, einen Nährstoff-
mangel zu erleiden.
Der Pferdehalter ist in einem groß-
en Dilemma. Mit der Zufütterung klas-
sischer Mineralstoffe, die meistens auf
Calciumcarbonat, besser klingenden
Namen wie Algenkalk, einfachen Füll-
stoffen wie Weizenkleber, Soja oder
Bierhefe basieren, wird er die Gesamt-
futterration seines Pferdes, die - bereits
getreidereduziert - einen durch das Rau-
futter gesättigten Calciumgehalt ent-
hält, nicht mehr verbessern können.
Der so induzierte Calciumüberschuss
wird nicht wie im allgemeinen ange-
nommen einfach aus demKörper ausge-
schieden, sondern führt vorher zur Ver-
drängung von lebenswichtigen anderen
Mineralien, wie zum Beispiel Magnesi-
um und den in viel geringerer Konzen-
tration in der Gesamtfutterration vor-
liegenenden Spurenelementen.
Zweifelhafte Mineralisierungen
Andererseits gibt es mittlerweile
einige Futtermittelhersteller, die rei-
ne Kräuter - bzw. Wurzelrezepturen
als Mineralfutter anpreisen, was im
Nachhinein zu vielen reichlich verwun-
derten Pferdebesitzern führt. Es ist un-
problematisch nachzurechnen, dass di-
ese sogenannten „organischen Mine-
ralfutter“ höchstens den Mineralstoff-
gehalt eines sehr hochwertigen Heus
aufweisen und es so logischerweise mit
einer Fütterung von 100 bis 200g die-
ser Futter am Tag zusätzlich nicht ge-
tan ist. Würde man von diesen „Mine-
ralfuttern“ 4 bis 5 Kilogramm am Tag
füttern, würden sie sicher sehr gut zur
Mineralisierung beitragen. Verwun-
derlich, dass sich letztendlich so viele
Pferdebesitzer keine Gedanken ma-
chen und ohne genaue Durchsicht der
Inhaltsstoff- und Zusatzstoffangaben,
den Aussagen der Hersteller folgen.
Schüsslersalze zur Mineralisierung
ungeeignet
Den ultimativ größten Denkfehler
machen Pferdebesitzer - und das nicht
selten auf Anraten des Tierheilprakti-
kers - , die zur Mineralisierung Schüss-
lersalze anwenden.
Bei den Schüsslersalzen handelt es
sich um naturheilkundliche Medika-
mente, die in der Apotheke frei verkäuf-
lich sind (laut DHU: „apothekenpflichti-
ge homöopathische Arzneimittel“). Un-
abhängig vom medizinischen Wert der
Schüsslersalze handelt es sich hier nicht
um eine Mineralisierung sondern um
ein „biochemisches Heilverfahren“, des-
senWert undWirkung hier nicht in Fra-
ge gestellt werden soll!
Auch wenn Dr. Schüßler äußerte:
„MeinHeilverfahren ist kein homöopa-
thisches“, wendete er bei der Herstel-
lung seiner Salze ein wichtiges homö-
opathisches Prinzip an – die Potenzie-
rung. Ebenso wie alle anderen homö-
opathischen Arzneimitteln ist bei den
Dr. Schüßler Salzen nur ein winziger
Bestandteil des Arzneistoffes enthal-
ten. Sie dienen auf feinstofflicher Ebe-
ne der Anregung der Selbstheilungs-
kräfte des Körpers.
Dabei ist es unschwer zu erken-
nen, dass es sich bei den Schüsslersal-
zen um Dilutionen (Potenzierungen/
Verdünnungen) handelt, eindeutig er-
kennbar an dem „D“ im Anschluss an
den Namen es Inhalts, bzw. des Salzes.
Zum Beispiel: Magnesium phosphori-
cum D6, dem Schüsslersalz Nr. 7. Das
nach dem genanntenMineralstoff bzw.
Salz verwendete „D“ steht für eine so-
genannte Verdünnung. Hier in der 6.
„D“ezimalpotenz!
Mathematisch in Potenzen denken
Dilution D1 heißt, dass von einer
Urtinktur, in diesem Fall ein Salz, 10
% in dem Produkt enthalten sind, also
1 zu 10 verdünnt wurde. Dilution D2
heißt, dass von dem Salz (Nährstoff)
ein Prozent in dem Produkt enthal-
ten ist, es wurde die D1-Verdünnung
mit 10 Teilen verdünnt. Jetzt macht es
Spaß, weiter zu rechnen, denn in D3 ist
nur noch 1/1000 enthalten, in D4 nur
noch 1/10.000 und in D5 nur noch ein
Molekül des Ausgangsstoffs in 1 Mil-
lion Grundsubstanz! Ausgehend von
dem Magnesiumbedarf des Pferdes
von mindestens 10-14 g am Tag ist
spätestens jetzt jedem Pferdebesitzer
leicht ersichtlich, dass er mit 100 Ta-
bletten Schüßlersalze Nr. 7 (250mg je
Tablette) 25g Milchzucker verabreicht
mit einemGesamt Anteil vonMagnesi-
um von sage und schreibe 2,5 x 10-6g!
Eine unvorstellbar kleine Zahl!
Richtig mineralisieren
Der richtigen Mineraliserung liegt
eine Futterberechnung zu Grunde, die
die absolutenNährstoffgehalte aller zu-
geführten Futtermittel demNährstoff-
bedarf gegenüberstellt. Nur so ist eine
bedarfsgerechte Fütterung möglich.
text/foto:
Dr. SusanneWeyrauch-Wiegand/fotolia
www.dr-susanne-weyrauch.dep f erdegesundhe i t