Reiter-Kurier Mai 2018

Vom Bürojob zur bekannten Pferdetrainerin. Wie kams? Ich reite seit ich 9 war und ich war im- mer gerne draußen. Ich habe Fremd- sprachen-Sekretärin gelernt, war ein paar Jahre für das Auswärtige Amt in Dritte-Welt-Ländern und danach Projektassistentin in einer Unterneh- mensberatung. Das hat zwar Spaß ge- macht. Aber ich wollte immer raus. Je- der Moment drinnen war für mich ver- schwendete Lebenszeit. Ich habe mir dann ein halbes Jahr unbezahlten Ur- laub genommen, um auf einer Ranch in New Mexico mit Pferden zu arbei- ten. Die Trainerin dort, eine gebürtige Regensburgerin, hat mich nachhaltig geprägt und inspiriert. Warum? Sie hatte so eine angenehme Art. Sie hatte junge Trainingspferde, war bis in die höchsten Klassen auf Westerntur- nieren erfolgreich und in der S-Dres- sur. Von dieser Frau habe ich sehr, sehr viel gelernt. Wieder daheim ha- be ich es in meinem Bürojob nicht mehr ausgehalten und beschlossen:Ich trainiere jetzt Pferde. Das hat gleich geklappt? In meinem Umfeld haben mich einige für verrückt erklärt. Aber die Leute ha- benmir von Anfang an die Bude einge- rannt. Weil es sehr viele Menschenmit Pferden gibt, die Probleme haben. Wie hast du reagiert, als 2011 die Anfrage kam, Pferdeprofi im Fernsehen zu werden? Ich habe denen gesagt: ?Endlich ruft ihr mich an!? Ich hatte nämlich im- mer schon gefunden, dass das The- ma Pferdetraining so viel Potential hat und mir war schleierhaft, dass es da- rüber noch keine Fernsehsendung gab. Fans deines Pferdetrainings schätzen deine ruhige, geduldige Art. Bist du schon immer so mit Pferden umgegangen? Die Pferde habenmich Geduld gelehrt. Denn mit Menschen bin ich von Natur aus total ungeduldig. Ich habe sogar schon mal erbost einen Supermarkt verlassen, weil die Kassiererin nicht in die Pötte gekommen ist. Auch, was die Körpersprache angeht, sind Pferde Lehrmeister. Ich bin ja recht groß, ich habe mich in meiner Schulzeit immer versucht kleiner zu machen. Aber bei Pferden musst du dich ja groß machen und Raum einnehmen. Diese Haltung haben mich die Pferde gelehrt. Wieso ist es so schwierig, Vertrauen zum Pferd aufzubauen? Ich stelle immer wieder fest, dass die Besitzer ihrem Pferd auch nicht ver- trauen, Angst haben und immer auf der Hut sind. So jemandem wird ein Pferd nicht vertrauen. Das Pferd muss mich einschätzten kön- nen. Es muss so voraus- sehen können, wie ich reagiere. Und ich muss immer klar und konse- quent sein. Ein Beispiel: Das Pferd darf seinen Kopf nicht an mir rei- ben. Wenn ich es ihm in Stallklamotten erlaube, es ihm aber verbiete, wenn ich eine schöne Bluse trage, erkennt es den Unterschied nicht. Mit Schimpfen zer- störe ich dann das Vertrauen. Das ver- steht ein Pferd überhaupt nicht. Mit der Konsequenz ist das so eine Sache, damit haben viele Reiter ein Problem. Aber wenn man Pferden ? vor allem jungen Pferden ? die Grenzen nicht zeigt und sie machen lässt, was sie wollen, werden sie sich nie bei mir si- cher fühlen. Weil sie sich dann denken: ?Wenn mich ein Löwe angreift, dann kann mir die auch nicht weiterhelfen.? Ich muss Stärke beweisen. Ich muss mich verhalten, als hätte ich ein Kind an der Hand, dem ich die Welt zeige: Wenn die Ampel rot ist, bleiben wir stehen. Wir gehen erst los, wenn die Ampel grün ist. Das Pferd muss wirk- lich klare Regeln lernen. Dann fühlt es sich sicher und fasst Vertrauen ? wie in einer Herde. Hast du Pferde schon immer mit ?prima? gelobt? Das ist eine gute Frage (grinst). Ich habe da nicht drauf geachtet, bis die Leute so drauf abgegan- gen sind. Die Pferde reagie- ren total stark drauf, weil es sich anhört wie ein Grummeln. Mein Haflinger antwortet auf ein kehliges ?priiiima? mit ?höhöhö?. Kein Witz! Kommt Lob im Pferdetraining zu kurz? Ja immer! Ich lobe meine Pferde so viel. Das sorgt dafür, dass sie motiviert sind und mitdenken. Es wird wirklich viel zu wenig gelobt. Die Leute wissen gar nicht, wie viel Potential sie verschenken, wenn sie ihre Pferde nicht loben. Kritiker werfen dir zu kuschelndes Training vor. Was sagst du denen? Man kann gar nicht zu lieb zu Pfer- den sein. Man wird aber auch erleben, dass ich sehr klar und auch sehr hart zu Pferden sein kann. Da werdenman- che mit den Ohren schlackern, weil ich schon ganz klar Grenzen aufzeige. Das muss manchmal auch sein. Man kann kein Pferd antiautoritär erziehen. Aber solche Kritik nervt doch. Was haben die sozialen Medien aus der Reiterei gemacht? Das ist Fluch und Segen. In den sozia- len Netzwerken kann man sich kund- tun, man erreicht viele Menschen. Aber man hat natürlich auch viele ne- gativ gesinnte Menschen, denen es wirklich schlecht geht, die unzufrie- den sind mit sich selbst und die nichts Besseres zu tun haben, als den ganzen Priiima! das Re i t er - kur i er - i nt erv i ew Sandra Schneider leistet Lobbyarbeit für Pferde. Ihre Bekanntheit als Fernseh-"Pferdeprofi" setzt sie gezielt ein. Ein Interview mit viel Lob. Lob kommt im Pferdetraining immer zu kurz. Da verschenken die Leute so viel Potential." Sandra Schneider, Pferdetrainerin 6 Reiter-Kurier · Mai 2018

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