Reiter-Kurier November 2017

HEUGE F LÜST ER Auf zu den Paralympics Julia Porzelt aus Prien am Chiemsee (22) ist amtierende Bayerische Meisterin im Para-Dressurreiten. Die 22-Jährige hat zwar keine Beine ? aber umso größere Ziele. Gratulation Julia! Im Schleifen- sammeln bist du mit ?Lettenhofs lovely Daintiness? sehr gut! Danke, das freut mich! National sind wir bei den Erwachsenen immer vorne dabei, international müssen wir noch mehr Erfahrungen sammeln. Wie bist du zum Reiten gekommen? Ich hatte Pferde schon gern, als ich noch ganz klein war. Ich war erst bei der Hippotherapie und beim thera- peutischen Reiten. Das war mir aber zu langweilig, weil ich nur drauf saß und nichts selber machen konnte. Mit neun Jahren habe ich angefangen, richtig reiten zu lernen. Wie habt ihr euch gefunden, du und dein Pferd "Dainty"? Ich wollte ein Pferd kaufen und ei- ne Freundin erzählte mir von der An- zeige. Da stand 1,35 Meter Stock- maß, das war mir eigentlich zu klein. Aber ich habe sie mir dann doch ange- schaut und es war ummich geschehen. An den Proberitt im Schnee kann ich mich noch gut erinnern, ich konnte sie im Trab überhaupt nicht sitzen ( lacht ). Aber das haben wir gut hinbekommen. Wieso ist Dainty perfekt für dich? Sie ist sehr zuverlässig. Ich war früher eine ängstliche Reiterin. Je ängstlicher ich war, desto entspannter war sie. Das hat mir schon immer viel Sicherheit gegeben, auch in den Prüfungen. Jetzt fällt mir auf, je mutiger ich werde, um- so aufgeweckter wird Dainty. Du bist von Geburt an körperlich eingeschränkt, wie genau denn? Ich trage Beinprothesen, ich habe Oberschenkel aber keine Knie. Mein rechter Ellbogen ist steif, meinen lin- ken kann ich nur eingeschränkt bewe- gen, ich kann ihn nicht abwinkeln und nicht drehen. Dann habe ich an jeder Hand nur drei Finger, die bis auf den Daumen operativ hergestellt wurden. Ich habe eine leichte Spina bifida, das habe ich aber gut im Griff. Welche Dinge im Umgang mit dem Pferd fallen dir schwer? Ich kann eigentlich alles machen. Was mir schwer fällt ist, schwere Sachen hochzuheben. Damit hat doch fast jede Frau Probleme? ( lacht ) Das stimmt auch wieder. Wenn das Pferd mich schubst, bin ich nicht so stabil. Aber eigentlich bekomme ich alles selbst hin. Ich kann Dainty auch selbst ver- laden und wegfahren. Das ist mir auch sehr wichtig, dass ich selbstständig sein kann. Du kannst mit deinen Prothesen wunderbar gehen. Wieso nimmst du sie zum Reiten ab? Beim Reiten stören sie mich. Sie schmiegen sich ja nicht an den Pfer- dekörper an, das bedeutet, dass ich damit wenig Balance im Sattel habe. Dann wäre ich instabil, rutsche herum und mir fehlt der Halt. Was absolut nicht der Fall ist, wenn man dir beim Reiten zu- sieht. Du sitzt wunderbar. Was ist das Besondere an deinem Sattel? Ich habe einen Spezialsattel mit Pau- schen vorne und hinten. Ein Riemen über den Oberschenkeln hält mich zu- sätzlich fest. Er sitzt aber locker, nur damit ich im Trab nicht abhebe. Bist du schon mal runtergefallen? Ich hatte früher eine Reitbeteiligung auf einem Shetty, da kommt das schon mal vor ( lacht ). Und von Dainty bin ich zweimal runtergefallen: Einmal ist sie vor einem Schwarm Vögel erschro- cken. Und einmal habe ich mich beim Trail-Training zu weit zur Seite ge- beugt, da bin ich runtergerutscht. Es ist aber beide Mal nichts passiert. Gehst du alleine ausreiten? Eigentlich lieber zu zweit. Dainty steht am Steinhof in Fembach (Land- kreis Traunstein). Da ist immer je- mand da, der mitkommt. Und beim Reiten ersetzt du die Schenkelhilfen mit der Gerte? Genau. Ich habe in jeder Hand eine Gerte, damit gebe ich treibende und seitwärts treibende Hilfen. Die Dainty versteht genau, ob ich seitwärts, ver- wahrend oder vorwärts treiben will. Wenn ich nach rechts Schenkelwei- chen möchte, touchiere ich sie links, dann weiß sie, dass sie den Hintern mehr mitnehmen muss. Oder wenn ich beim Schulterherein die innere Gerte anlege, weiß sie, dass sie sich mehr drum biegen muss. Was musst du mehr trainieren, als Reiter ohne Einschränkung? Früher brauchte ichmehr Sitztraining, ich habe oft ein Hohlkreuz gemacht und bin nach vorne gefallen. Mir fällt auf, wenn wir zu viele Lektionen rei- ten, werden wir beide steif und fest. Also üben wir oft Basics. Z.B Volten, Julia Porzelt zählt zu den besten deutschen Nachwuchsreiterinnen im Para-Dressursport. Mit ?Lettenhofs lovely Daintiness? ist die 22-Jährige bereits Ba­ yerische und Deutsche Vize-Meisterin ge­ worden, voriges Jahr wurde sie Süddeutsche Meisterin. Aktuell ist die Prienerin mit ihrer Reitponystute amtierende Baye­ rische Meisterin im Para-Dressurreiten. Ohne Prothesen habe ich imSattel eine bessere Balance. www.steinhofinfembach.de 6 Reiter-Kurier · November 2017

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