Reiter-Kurier Dezember 2019

8 Dezember 2019 | Interview Martin Fuchs ?DANKCLOONEYWURDE ICH EINBESSERERREITERUNDMENSCH? Bei den Europameisterschaften sahman Sie nach IhremSieg völlig überwältigt. Wie blicken Sie nun, da einigeWochen ins Land gegangen sind, darauf zurück? Es sind für mich immer noch einmalige Erinnerungen. Das waren unglaublich emotionale Stunden. Auch kriege ich heute noch regelmäßig Gänsehaut, wenn ich an diesen tollen Tag und die vielen Emotionen denke. Ist es Ihnen eigentlich schwergefallen, nach diesemunglaublichen Erfolg wieder in den normalen Reiteralltag zurückzukehren? Der Alltag hat mich sehr schnell wieder eingeholt. Denn die Turnierplanung für die Saison war ja schon fix gemacht. Wir hatten aber direkt nach meiner Ankunft am Flughafen ein schönes Essen im engs- ten Kreis. Die Woche darauf fand am CSI Humlikon in der Schweiz eine Ehrung für den Titel statt. Am Abend gab es dann noch ein tolles Essen mit Freunden, Familie und Sponsoren, gefolgt von einer langen Partynacht. Das waren also meine beiden Feiern, bei denen ich schon viel Zeit hatte, zu genießen und all die schö- nen Momente Revue passieren zu lassen. Wie erleben Sie es: Hat sich durch den Gewinn des Europameistertitels etwas in IhremLeben verändert? Was sich seither verändert hat, sind die vielen Interviewanfragen, welche ich so gut und rasch als möglich zu be- antworten versuche. Das hier ist ja eines davon. Ich freue mich sehr über die viele Aufmerksamkeit, aber natürlich muss ich aufpassen, dass ich mich immer wieder auf den Sport fokussiere, der ja imMittelpunkt stehen muss. Dennoch freue ich mich sehr, wenn ich gute Fragen für eine interessante Zeitschrift beantworten darf. Vergangenes Jahr Zweiter bei denWEG, nun Europameister. Ist da ein Erfolg mehr wert als der andere? Vergleichen ist tatsächlich schwierig. Es waren beides unglaublich tolle Mo- mente für mich, an die gerne zurück- denke. Ich glaube nicht, dass da einer mehr wert ist, jeder für sich war sehr emotional. Sind Ihre Augen nun schon nach Tokio ausgerichtet?Wie bereiten Sie sich und natürlich auch Clooney auf diese neue Herausforderung vor? Ja, das sind sie definitiv! Wir haben das Training und die Turniere, an denen Clooney teilnimmt, bereits jetzt speziell auf Tokio abgestimmt, damit er für die Olympischen Spiele in Topform ist. Ich bin in der glücklichen Lage, neben Cloo- ney noch mehrere Top-Pferde zu reiten, so dass ich trotz der Olympiaplanung noch bei Top-Events wie demWeltcup und der Global Tour dabei sein kann. Ich weiß, dass dies ein absoluter Luxus ist, den ich sehr schätze und für den ich meinen Pferdebesitzern nur immer wieder danken kann. Erinnern Sie sich noch an den Tag, als Clooney zu Ihnen kam? Ich bekam Clooney Ende des Jahres 2013, als er sieben Jahre alt war, unter den Sattel. Kurz darauf unternahmen wir unseren gemeinsamen ersten Ausritt. Ich lag nach fünf Minuten bereits am Boden, da mich Clooney abgeworfen hat. So haben wir uns kennengelernt. Aber es ist besser geworden mit uns beiden ( lacht ). Clooney ist eine herausragende Pferde- persönlichkeit. Was schätzen Sie persön- lich ganz besonders an ihm? Er ist ein sehr spezielles Pferd. Wir brauchten viel Zeit zusammen bis er mir so gut vertraute wie er es jetzt tut. Es ist immer noch ein stetiges ?Zueinanderfin- den?. Wir lernen jede Woche neue Dinge voneinander. Jedes Training und jedes Turnier ist aufs Neue eine Lehrstunde für mich. Er hat aus mir einen besseren Rei- ter und auch einen besseren Menschen gemacht. Ich habe durch ihn gelernt, dass man viele Dinge immer wieder reflek- tieren muss, um eine Lösung zu finden. Und das nicht nur im Sattel, sondern auch in den vielfältigen Situationen, die im Leben auf einen zukommen. Ich denke heute, vor allem auch dank dieses Pferdes, viel mehr darüber nach, wie ich eine Situation wirklich auf die richtige Art und Weise und für alle Seiten positiv gestalten kann. Solch ein Pferd wie Cloo- ney trifft man nur ganz selten und ich bin sehr glücklich, dass wir uns aufeinan- der eingelassen haben. Foto: Stefan Lafrenz Europameister Martin Fuchs hat mit seinen 27 Jahren schon fast alles erreicht, was er sich jemals erträumt hatte. In einer Reiterfamilie aufge- wachsen, lebte er von Kindheit an für die Pferde und den Springsport. Seine Eltern sind Springreiter Thomas Fuchs, selbst Team-Europameister, WM-Dritter mit dem Schweizer Team und Olympia- starter, und die Springreiterin und Trab- rennfahrerin Renata Fuchs. Sein Onkel ist Markus Fuchs, dessen große Erfolge vor allem mit Tinka?s Boy viele noch in guter Erinnerung haben. Zu diesen gehörten unter anderem olympisches Team-Silber in Sydney 2000, Einzel-Sil- ber bei der EM 1999 und der Sieg im Weltcup-Finale 2001. Nun also ist die nächste Generation am Ruder und Mar- tin startet schon seit einigen Jahren voll durch. Bei den Children und Junioren hagelte es Medaillen und als Junger Reiter holte er erstmals EM-Gold. Nach WM-Einzel-Silber im vergangenen Jahr krönte Martin Fuchs seine bisherige reiterliche Laufbahn nun mit Einzel- gold bei den Europameisterschaften in Göteborg. Immer mit dabei: Clooney ? ein Kämpfer vor dem Herrn, der im Frühjahr 2018 eine Kolik-OP überstand. Damals erlebte Martin Fuchs einige der schlimmsten Stunden seines Lebens, gibt der Reiter heute zu. Momente, an die er auch in den Stunden des größten Erfolgs denken musste.

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