Reiter-Kurier November 2019

8 November 2019 | Interview Alex Madl ?WIRMÜSSENWIEDERNACHHALTIGREITEN? Wirtsbua und ?Waldler?, Quarter- und Criollo-Zücher. Immer locker und lässig in Karohemd, Jeans und Boots. Bei Alex Madl vermutet man einen Westerntrainer, ist er aber nicht. Der Niederbayer setzt zwar auf Bosal und Westernsattel ? aber auch auf die Erkenntnisse der alten Reitmeister. Er lehrt eine ?lebendige Reitkultur?, die jedem Reiter ? egal welcher Reitweise er sich zuord- net ? zu einer besseren Einheit mit seinem Pferd verhilft. Wie bist du zumReiten gekommen? Mein Vater züchtete seit 1978 Warm- blüter, inzwischen züchten wir Quarter und Criollos. In meiner Jugend hatte ich bereits das Gefühl, dass die Ausbildung der Pferde, so wie sie damals aussah, sowohl bei den Reitern als auch bei den Pferden häufig Angst oder Unbeha- gen hervorrief, was mir widerstrebte. Schließlich war es unter anderem ein besonders schwieriges Pferd, das mich motivierte, neue Wege in der Pferde- ausbildung zu suchen. Meine Intention war es, mich als Reiter so aufzubauen wie ein junges Pferd: Dass ich mir nach und nach die verschiedenen Facetten der Reiterei aneigne und bei verschiedenen Leuten lerne. Vor einigen Jahren lernte ich Angelika Graf kennen, die die Doma Vaquera und Working Equitation, die portugiesische sowie die spanische Ar- beitsreitweise lehrt und meine Reiterei und Arbeit als Pferdetrainer maßgeblich beeinflusst hat. Das ist jedenfalls nicht das, was man unter einemWesterntrainer versteht. Im Kern bin ich Westernreiter, da ich die Reiterei, das Equipment, die Pferde und die Art der Manöver einfach liebe. Aber meiner Meinung nach sollte das gymnastizierende Reiten, wie ich es vermittle, nicht in unterschiedliche Reitweisen unterteilt werden. Jeder hat seinen eigenen Antrieb, warum er reitet. Doch die Grundsätze der Reiterei sollten in allen Sparten die Gleichen sein. Klassische Reitkunst imWesternsattel. Was machst du anders? Durch die Zusammenarbeit mit Angelika lernte ich, technische und bio- mechanische Zusammenhänge richtig zu begreifen und zu spüren. Langsam konnte ich alles verbinden: welche Bedeutung das Reiten über den Sitz hat, warum welche Lektion wie auf das Pferd wirkt und diese Rückantwort des Pferdes lernte ich auch wahrzunehmen. Also weg vommechanischen Reiten, bei dem das Pferd über das Großhirn arbei- tet, hin zu einer intuitiven Reiterei, bei der man mit Gespür arbeitest, also hin zu einem Dialog mit dem Pferd. Mein Ansatz ist es, dass die innere Balance die äußere Balance beeinflusst, ebenso beeinflusst der innere Rhythmus den äußeren Rhythmus. Aus der Zusammen- arbeit mit Angelika ist nun die ?Lebendi- ge Reitkultur? entstanden. Kultur, weil sie immer schon da war? Genau. Angelikas Unterricht hat in mir ausgelöst, Bücher unterschiedlicher alter Reitmeister zu lesen, um zu begreifen was ich spüre. Sie hat mich dazu bewegt, mich auf die Suche nach Wissen zu begeben. Wir möchten mit der ?Lebendi- gen Reitkultur? an die alten Werte in der Reiterei erinnern und zeigen, dass diese noch heute Bestand haben, unabhän- gig davon, welcher Reiterei man sich zugehörig fühlt. Dass das Sehen und Bewerten bereits in den alten Epochen der Reiterei existiert hat und dass dieses Kulturgut, das in diverser Literatur festgehalten wurde, unbedingt erhalten bleiben muss. Daher unser Motto ?von der Literatur zum Pferd und vom Pferd zur Literatur?. Das sollte ja Ziel eines jeden Reiters sein. Habenwir uns da zu sehr in die Definitio- nen von Reitweisen verrannt? Ja, das Gefühl habe ich schon, aber das ist lediglich meine Wahrnehmung. Doch ich finde es gibt eine positive Trendwende. Ich bin der Meinung, dass das Dominieren über die Pferde in der gesamten Reiterei abnimmt und dies ermöglicht, klarer zu sehen und festzu- stellen, dass die unterschiedlichen Reit- weisen gar nicht so weit auseinander liegen, wie man vielleicht meint. Du bist quer durch Deutschland unter- wegs, deine Kurse sind bis 2021 aus- gebucht. Reiter als allen Sparten nehmen bei dir Unterricht. Ein Beleg dafür, dass lebendige Reitkultur das ist, wonach sich die Reiter sehnen? Ja, das denke ich schon. Weder Pferd noch Reiter wird etwas aufgezwängt, da es nichts zum Aufzwängen gibt. Jeder Reiter kann in jeder Phase abgeholt und unterstützt werden. Ich möchte den Menschen einen roten Faden und Nachhaltigkeit mitgeben. Es geht um Kontinuität. Darum, dass sich Reiter und Pferd kontinuierlich in einer Gleich- mäßigkeit weiterentwickeln, ohne große Höhen und Tiefen. Mein Ziel ist, dass am Ende einer Einheit Pferd und Reiter mit einem zufriedenen Gefühl rausge- hen und das Miteinander und Verständ- nis füreinander gefördert wurde.

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