Reiter-Kurier Juni 2019

Sie haben natürlich eine Gemeinsam- keit in der hohen Leistungsfähigkeit. Ohne Schwächen in Lektionen oder Grundgangarten. Faustus besticht be- sonders im Galopp, wo er durchaus eine 9 oder 9,5 bekommt, während Sammy durch Charme, Leichtfüßigkeit und sei- ne Piaff-Passage Tour zu glänzen weiß. Showtime macht Megapirouetten, hat einen irren Schritt und passagiert für eine 10. Im Umgang sind sie alle unter- schiedlich, jedoch extrem liebenswert. Vor kurzen erhielt nach Laura Strobel mit Johanna Laing eine weitere Ihrer Auszubildenden die begehrte Stensbeck-Plakette. Scheint so, als wären Sie auch eine Top-Chefin? Laura macht sich bald selbstständig und ich bin sehr glücklich über ihre großartige Zusammenarbeit. Sie war sechs Jahre bei mir und hat ihre ganze Ausbildung hier absolviert. Sie hat alles bei mir einfach aufgesaugt, was man auch bei ihren Ritten heute sehen kann. Sie ist unglaublich talentiert und wird das in ihre Selbstständigkeit mitneh- men. Ich bin sehr stolz auf sie. Insge- samt finde ich, dass wir ein ganz tolles Team im Stall sind. Alle sind unheimlich motiviert, sich täglich selbst zu hinter- fragen und weiterzukommen. Johanna hat sich super entwickelt in der Lehre und macht mich ebenfalls sehr stolz. Sie ist mental, menschlich und reiterlich so gut vorangekommen, dass ich natürlich begeistert war, dass sie es auch in der Prüfung so gut zeigen konnte. Das ist ja nochmal eine ganz andere Situation. Jo- hanna habe ich nun auch übernommen und sie wird halbtags bei mir arbeiten und die andere Hälfte ihrem Studium widmen. Ich bin sehr glücklich, dass das ganze Team absolut hinter unserem Konzept steht. Ich freue mich immer be- sonders, wenn Leute aus dem Stall sogar zu den Turnieren hinterherkommen, um einfach dabei zu sein und mitzufiebern. Das ist auch gerade wieder in Nürnberg mit zwei meiner Mädels der Fall. Sie gelten als eine der besten Aus- bilderinnen von Pferden weltweit. Es ist vielleicht ein wenig schwer zu erklären, deshalb frage ich ein- fach direkt: Was ist das Geheimnis hinter Ihrer Ausbildung? Das ist in der Tat schwer in Worte zu fassen, man könnte damit vermut- lich ein Buch füllen! ( lacht ) Aber kurz gesagt würde ich es bezeichnen als eine Mischung aus Gymnastizierung, Motivation, Vertrauensaufbau und Mentalausgleich beim Pferd. Wichtig ist, immer darauf zu achten, dass wir es mit Individualisten zu tun haben. Ich beginne also damit, in jedes Pferd hineinzuhören, wahrzunehmen, was es braucht. Jedes Pferd ist irgendwie anders und benötigt eine andere Art von Gymnastizierung und generell der Ausbildung. Es gibt sensible, eher faule, Pferde, die gern weglaufen würden und die ganz Forschen. Wichtig ist immer zu fühlen, was sie brauchen. Außerdem ist bei der Ausbildung natürlich wichtig, immer darauf hinzuarbeiten, dass der Pferdekörper seine Balance findet. In dieser Balance entsteht erst die Möglich- keit, dass das Hinterbein zum Tragen kommt und das Pferd derart schwere Lektionen überhaupt absolvieren kann. Ich versuche, dass Pferd dazu hinzufüh- ren, dass es bereits in jungen Jahren die Kraft so aufbauen kann, dass es später mit den Lektionen keine Probleme hat. Denn dadurch bekommt das Pferd, so schwer die Lektionen eines Tages auch sind, das Gefühl ?ich kann das?. Vom Reiter ist es natürlich wichtig, es durch Lob auch immer darin zu bestärken und weiter zu motivieren. Das Pferd muss also immer Freude bei der Arbeit haben, sonst klappt es nicht. Das Pferd muss Spaß daran ha- ben, gemeinsammit dem Reiter solch schwere Lektionen zu erarbeiten und zu präsentieren. Dadurch kommt genau das zustande, was wir bei unseren Top-Pfer- den sehen. Dieser Ausdruck, diese Symbiose zwischen Pferd und Reiter, die Harmonie, die das Publikum dann begeistert. Dafür muss das Pferd körper- lich und mental optimal vorbereitet sein und das versuche ich ihnen immer wie- der in der Ausbildung mitzugeben. Der tägliche mentale Ausgleich ist für meine Pferde außerdem selbstverständlich. Sie kommen immer eine Tageshälfte auf die Wiese oder aufs Paddock und können dort machen, was sie wollen, sich wäl- zen, in der Sonne baden, toben und so weiter. So bekommen sie den Kopf frei für alles, was im Sport kommt. Meine Pferde haben, denke ich, gleichermaßen Spaß am Arbeiten und am Chillen. Sie übernehmen viele junge Pferde und bilden diese leidenschaftlich gern aus. Wie entscheiden Sie, wel- che Pferde Sie in Beritt nehmen? Wie sieht der Beginn der Ausbil- dung bei Ihnen aus? Meistens werde ich von Kunden oder Neukunden gefragt, ob ich ein bestimmtes Pferd ausbilden könnte. Im nächsten Schritt schickt der Interessent ein Video, wir telefonieren darüber und treffen dann gemeinsam die Entschei- dung. Für mich sind die Perspektive, die Einstellung und der Charakter des Pferdes entscheidend. Aber auch mit dem Interessenten muss die Wellenlänge stimmen. Sie haben etliche Jungpferde- Champions hervorgebracht. Show- time war im Burgpokalfinale. Sie brachten zwei Burgpokal-Sieger hervor. Welche Bedeutung haben diese Turnierserien wie der Burg- pokal und Louisdor als nächster Schritt für Sie? Ich bin wirklich glücklich, dass es diese beiden Serien gibt und möchte den beiden Sponsoren ? der Klaus Rhein- berger Stiftung (Louisdor) und der Nürnberger Versicherung (Burgpokal) ? an dieser Stelle besonders danken und sie ermuntern noch lange weiterzuma- chen! In der Entwicklung eines Pferdes für den großen Sport haben sie quasi eine wichtige Brückenfunktion in den altersgerechten Leistungsanforderun- gen. Der Burgpokal (sieben bis neun- jährige Pferde) schließt an die WM der jungen Dressurpferde an. Der Lousidor für acht bis zehnjährige Pferde begleitet den Schritt nach dem Burgpokal in den Grand Prix. Für mich persönlich ? und für viele meiner Kollegen auch ? ist das der perfekte Weg, ein junges Pferd in den großen Sport zu bringen. Pferdegerechte Haltung spielt beim Erfolg eines Pferdes eine gro- ße Rolle. Wie schaffen Sie für Ihre Pferde eine gute Atmosphäre und ermöglichen ihnen ein glückliches Pferdeleben? Auf jeden Fall, ansonsten sollte sich der Mensch kein Pferd anschaffen! Ei- gentlich braucht der Reiter ja nur in den Spiegel zu schauen, um zu erahnen, was für die Vierbeiner gut und richtig ist. Der respektvolle Umgang, Motiva- tion, eine schöne Box und die Möglich- keit auf Paddock oder Wiese Pferd zu sein sind für mich die Grundvoraus- setzungen. Last but not least spare ich weder bei der Futter- noch Heu- oder Strohqualität. Es zahlt sich aus meiner Sicht aus und ist am Ende auch nicht teurer, denn die Pferde sind gesünder, leistungsbereiter und -fähiger. Interview: Alexandra Koch Foto: Stefan Lafrentz Das Pferdmuss bereits in jungen JahrenKraft auf- bauen, um später bei den Lektionen das Gefühl zu haben ?ich kann das?. 7 Juni 2019 |

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