Reiter-Kurier Mai 2019

Futter für die Mittagspause her. Um 17 Uhr ist für die meisten Feierabend. Eine Kutsche muss dann noch um 18 Uhr vor dem Schloss stehen, um die Gäste der letzten Führung zum Schiff zu bringen. In der Hauptsaison gehen Ihre Pferde auch mal 35 bis 38 Kilo- meter pro Tag. Was für Beschläge halten da her? Die Eisen haben hinten zwei Stol- len und die Aufzüge schweißen wir selbst drauf, die halten länger. Eine Seitenkappe erspart einen Hufnagel. Unser Schmied setzt normalerweise nie mehr als fünf Nägel pro Eisen in das Horn. Je dünner die Nägel und je weniger pro Huf um so weniger Bruchstellen gibt es am Horn. Wenn sich ein Pferd ein Eisen runtertritt, ist es völlig egal, ob acht oder fünf Nägel drin sind. Dann fliegt es sowieso. Und vorne wird zusätzlich Hartlot aufgetragen. Das ist sehr abriebfestes Material, das lässt sich nicht schleifen. Damit werden sonst Baggerschaufeln geschweißt. Diese Eisen halten 600 bis 800 Kilometer. Der Asphaltboden stellt kein Problem dar? Die Härte des Bodens macht nichts, wir fahren ja nur im Schritt. Aber die Zehen müssen gleiten kön- nen. Deswegen verwenden wir keine Stifte an den Zehen und schonen damit das Huf- Kron- und Fesselge- lenk. Für jedes Pferd haben wir immer einen kompletten Satz Ersatzeisen, für den Fall, dass eines verloren geht. Der Schmied kommt alle zwei Wochen. ImWinter kommen die Eisen runter, damit sich der Huf erholt. Was für Eigenschaften sind Ihnen denn bei einem Fahrpferd wichtig? Es muss sich gut bewegen können, charakterlich einwandfrei sein und vom Kopf her genügend Nervenstärke mitbringen, damit es mich annimmt. Was meinen Sie mit annehmen? Beim Reiten ist das viel einfacher. Da hast du den Schenkel und das Gewicht. Und beim Fahren sitzt man ein paar Meter hinterm Pferd, die Verbindung besteht nur durch die Leinen. Und diese Verbindung muss funktionieren. Beim Reiten bist du mit deinem Körper in der Bewegung des Pferdes. Wenn das Pferd mit dem Genick runterkommt, hebt sich der Rücken. Das Pferd läuft vor dem Wagen genauso, der Fahrer muss diese Bewegung zulassen, um jederzeit korrekt auf das Pferd einwirken zu können. Ich bin ja mit einem Shetland- pony auch schon gefahren ? ohne jegliche Fahrkenntnisse, muss ich gestehen. Das hat problemlos funktioniert. Das war ein Gig, dann ist die Ent- fernung von der Kutsche zur Hand nicht so groß. Bei einer Kutsche ist der Abstand viel größer, da ist mindestens 20 Zentimeter Luft. Dann musst du die Leine 20 Zentimeter länger oder kürzer machen, wenn der Wagen nachschiebt, hängt die Leine durch, dann fangen sie zu traben an und so weiter. Es ist nicht so einfach. Hat sich in den letzten 30 Jahren was geändert? Also generell beim Fahren? Die Leute haben weniger Geduld. In 14 Tagen lernt man das Fahren eigentlich nicht. Vergleichen wir das mal mit dem Reiten: Da hängen sie Anfänger erst nach 14 Tagen von der Longe ab. Ich bereite meine Schüler gut vor: Bei den Kursen fahren die Teilnehmer bei mir einspännig, zwei- spännig und auch einmal vierspännig und sechsspännig, damit sie wissen, wie das ist. Das geht gut, weil meine Pferde alle auf A-Niveau ausgebildet und routiniert sind. Die Pferde gehören dem Freistaat, haben Sie auch eigene? Ja, mir gehören vier Pferde. Die ge- hen ganz normal im Fahrbetrieb mit. Früher bin ich auch turniermäßig gut unterwegs gewesen. Hin und wieder Judith Schmidhuber ihr Grinsen nach dem Galopp in Helmut Meiderts Sechsspänner hielt tagelang an judith.schmidhuber@reiterkurier.de fahren wir aufs Festland oder machen auch mal eine Woche Urlaub mit den Pferden. Wie handhaben Sie es mit Nachwuchs? Fahren Sie die Pferde selbst ein? Ja. Wir haben momentan vier zweijährige Hengste auf der Koppel. Mit zweieinhalb fangen wir mit der Arbeit an der Doppellonge an, im Herbst werden sie kastriert und dann eingespannt und eingefahren. Dann kommen sie nochmal eine komplette Saison auf die Weide. Danach kom- men sie ein Jahr lang halbtags zum Einsatz und erst fünfjährig arbeiten sie komplett im Tagesgeschäft mit. Warum die Pause? Weil die Sehnen und Bänder wirk- lich gefestigt sein müssen. Das ist ganz wichtig, damit sie langfristig gesund bleiben. Die Pferde brauchen die Zeit auch, dass sie von den Mus- keln und vom Kopf her so weit sind. Ein Pferd zieht ja nicht, es schiebt über den Rücken nach vorne. Je mehr Druck es auf der Brust hat, desto mehr schiebt es die Last nach vorne weg. Sie haben es schon schön hier auf der Insel, da könnte man glatt neidisch werden. Beneiden muss man mich nicht. Aber wir haben hervorragende Mit- arbeiter, auch die Pferde sind gut. Da macht das Leben und Arbeiten schon Spaß.

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