Reiter-Kurier März 2019

zunächst eine Kommunikation mit dem Pferd erarbeiten, damit ich mit meiner Hilfengebung das Pferd auf großer Distanz beeinflussen und unterstützen kann. Das Erste, das ich von Ihrem Kurs erfahren habe, ist die Bedeutung des Führens in Stellung. Warum ist das der erste Schritt, bevor man ans Longieren denken kann? Das ist ein wichtiger, grundlegen- der Baustein. Wenn das Genick fest ist, habe ich keinerlei Chance eine Biegung zu erreichen. Ohne Stellung keine Biegung. Solange das Pferd sich im Genick verkrampft, sich verwirft, festhält, wird es keine Biegung in den Körper bekommen, die Hinterhand wird ausfallen und es wird in keine gute Balance kommen. Die ganze Rotationskette der Wirbelsäule kann nicht stattfinden. Wie viele Leute longieren ihre Pfer- de ohne dieses Hintergrundwissen? Landläufige Meinung ist, dass Longieren eine Möglichkeit für das Pferd ist, sich im Kreis auszutoben. Und das empfinde ich als negativ. In Schräglage kann das Pferd keine lockeren, schwingenden Bewegungen vollführen. Die innere Schulter kann keine raumgreifenden Bewegungen zulassen, die Vorhand tritt ver- kürzt. Dann kann das gleichseitige Hinterbein nicht weit vortreten, die Bewegung von Vor- und Hinterhand ist über die Rückenmuskulatur mit- einander gekoppelt. Auf Fotos oder Videos sehe ich oft, dass das Pferd nach außen blickt, das Hinterbein nicht so weit vortritt und das Heben des Rückens nicht zustande kommt. Diese verkürzte Bewegung ist deutlich härter, das führt zu Verspannungen. Wie sieht es aus, wenn ein Pferd an der Longe richtig läuft? Es schwingt, es federt, es läuft locker flockig, weich und leise. So eine Laufmanier ist der beste Knochen-, Sehnen- und Gelenkeschutz, den wir unseren Pferde mitgeben können. Wie funktioniert die Hilfengebung? Zunächst muss ich eine Hilfe etablieren, damit das Pferd versteht, dass ein Impuls über den Kappzaum bedeutet, dass es im Genick nachge- ben soll, loslässt und sich nach innen stellt. Das zeige ich über die Übung ?Führen in Stellung?. Dann muss es lernen, das Gewicht von der inneren Schulter zu nehmen. Dazu zeige ich mit der Gerte Richtung Schulter. Auch das muss ich dem Pferd erst erklären. Sensible Pferde, die diese Hilfe nicht kennen, reagieren sonst mit Flucht. Meine Longenarbeit baut auf unterschiedliche vorbereitende Übungen auf. Viele kleine Schritte führen von der Bodenarbeit zu einer Kommunikation, die es mir später ermöglicht, über eine Distanz von sechs Metern die Haltung zu beein- flussen und zu verbessern. Warum sechs Meter? Es sind dann auch mal fünf, sieben oder acht Meter. Ich wechsle die Distanz ständig. Ich bin selten länger als zwei Runden in der selben Distanz zum Pferd. Wenn ich z.B. mehr Bie- gung ins Pferd bekommen möchte, gehe ich dichter an das Pferd heran und baue Volten ein. Sobald ich eine Verbesserung der Biegung erreicht habe und ich an der Aktivierung der Hinterhand und dem Schwung arbeiten möchte, vergrößere ich die Distanz. Braucht es einen eingezäunten Longierzirkel? Ich bleibe nicht auf einem Kreis. Ich bin ein ?Ganze-Bahn-Bahnfigu- ren-Longierer?. Ich laufe auch mit dem Pferd gerade mit, im Slalom, longiere ein aus der Ecke kehrt. Mit fortgeschrittenen Pferden longiere ich auch die Seitengänge. Das hört sich nach viel mehr Abwechslung an, als das auf vielen Longierzirkeln der Fall ist. In der Tat kann man mit freud- losem und druckbasiertem Longieren der Psyche des Pferdes schaden. Das Pferd läuft Runde um Rund im Kreis, kommt aber nirgendswo an. Oftmals erfährt das Pferd viel Druck vom Mensch in der Mitte. Es gibt wenig Abwechslung, kein Miteinander, kaum Freude. Das ?normale? Longie- ren ist für mich unglaublich hart und negativ besetzt, es gefällt mir über- haupt nicht. Was heißt denn ?normales Longieren?? Der Mensch steht in der Mitte, das Pferd läuft in immer demsel- ben Abstand im Kreis drum herum. Der Longenführer sagt immer nur Tempo, Tempo, Tempo, steht aber ansonsten unbeteiligt in der Mitte. Das Pferd ist meistens dann noch verschnürt wie ein Weihnachtspaket, indem es den Kopf mit Hilfszügeln heruntergezogen bekommt. Das empfinde ich als höchst negativ. Seit elf Jahren tourt Babette Teschen durchs deutschsprachige Europa und ver­ mittelt Pferdebe­ sitzern in Kursen ihr Wissen über die Arbeit an der Longe. 7 März 2019 |

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