Reiter-Kurier Februar 2018

DAS RE I T ER - KUR I ER - I NT ERV I EW 110 Prozent Energie Glück allein reicht nicht, umWeltranglistenerster der Vielseitigskeitsreiter zu werden. Michael Jung gehört zu den erfolgreichsten Reitern der Welt. Dafür muss man seine Pferde fit halten und selbst auch mal Schmerzen ertragen, wie der 35-Jährige uns im Interview verrät. Die Freiluft-Saison beginnt bald wieder, nach welchen Kriterien wählen Sie Turniere aus? Michael Jung: Ich mache meinen Plan erst mal hauptsächlich für die Viel- seitigkeitspferde. Und der Rest wird dann aufgefüllt mit Springturnie- ren. Ich versuche, größere und klei- nere Turniere abzuwechseln, um al- len Pferden gerecht zu werden. Die sehr guten Pferde sollen nicht zu viel machen, die jüngeren Pferde sollen gut ausgebildet werden. Für inter- nationale Turniere muss man schon weiter weg. Aber auch für Springtur- niere fahre ich lieber zwei, drei Stun- den länger, zu welchen, auf denen ich gut reiten kann, bei denen die Bedin- gungen für meine Pferde gut sind. Momentan haben Sie turnierfrei. An wie vielen Wochenenden im Jahr ist das der Fall? An wenigen. Ich reite 42 bis 45 Tur- niere pro Jahr. Ihre sehr guten Pferde, wie oft haben Sie die dabei? Das ist ganz unterschiedlich. Der Sam zum Beispiel geht zwei kleinere und zwei größere. Er braucht nicht mehr viel Routine um reinzukommen. Das ist bei jedem Pferd anders. Andere ge- hen vielleicht 15 bis 20 Turniere. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Manche brauchen erst mal fünf kleinere, bis sie locker sind und dann kann man schwerere Turniere gehen. Wie hält man ein Vielseitig- keitspferd fit? Grob gesagt ist es wie beim Triathlon. Man muss alle drei Disziplinen trai- nieren. Und dann brauchen sie noch Kraft und Kondition. Ein Freund von mir läuft Marathon, er sagt, das Trai- ning ist sehr ähnlich. Was machen Sie? Galopp am Berg, Schwimmen gehen? Zum einen das. Und zum anderen muss man versuchen, die Kilome- ter zusammenzukriegen. Marathon- läufer versuchen, die doppelte An- zahl an Kilometern pro Woche zu laufen. Dann schalten sie wieder zu- rück, wechseln schnellere Phasen und langsamere ab. Wir gehen zwei, drei Stunden ausreiten, arbeiten auf dem Platz, auf der Geländestrecke, machen Sprints am Berg. Da sind der Phanta- sie keine Grenzen gesetzt. Wir haben im Schwarzwald sehr bergiges Gelän- de, das ist für das Training ideal. Das merke ich besonders bei den jungen Pferden, wie ausbalanciert die sind. Ihr Stall ist zur Hälfte gefüllt mit Vielseitigkeitspferden und zur Hälfte mit Springpferden. Wie viel Zeit widmet man da einem Pferd? Jedes Pferd ist anders. Das eine braucht mehr Springtraining, ein an- deres mehr Galopptraining. Ich glaube wichtig ist, dass man im Früh- jahr alle Pferde in Gang bringt, dann ist die Saison ei- gentlich relativ locker. Das heißt, der Trainingsaufwand ist momentan am höchsten? Januar, Februar, März, April, das ist die Zeit, in der man sehr viel Arbeit hat. Man braucht einen guten Plan, damit man den Überblick behält und natürlich ein gutes Team. Der Sport, der Hof, das ist ein gigantischer Auf- wand. Mit dem Reiten allein ist es ja nicht getan. Da ist noch die Tur- nierplanung, Reitunterricht, Bespre- chungen, mal ist der Rasen zu mähen, Futter zu bestellen, der Koppelzaun zu richten oder Hindernisse zu bau- en. Das ganze Drumherum darf man nicht vergessen. Wie sieht der Alltag von einem Spitzenpferd wie Ihrem Sam aus? Der Sam liebt seine Koppel. Er wird meistens zuerst geritten, kommt dann auf die Koppel. Dann ist er über Mit- tag ein paar Stunden drin, kommt wie- der auf die Koppel und wird Nachmit- tag ausgeritten. Bei jedem Reiter können sich Fehler einschleichen. Wer korrigiert Sie im Sattel? Hauptsächlich mein Papa. Ab und zu bin ich fürs Springen bei Marcus Ehning oder für die ( weiter auf Seite 8 ) Michael Jung war auf der Reitanlage Gut Ising am Chiemsee zu Gast und nahm sich Zeit für ein Interview mit dem Reiter-Kurier.

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