Reiter-Kurier Dezember 2017

falsch bewegt, bewegt sich das Pferd auch falsch. Wenn Sie nur falsch sit- zen, geht Ihr Pferd falsch. Ich habe meine Pferde so ausgebildet, dass sie nach demKörpergewicht gehen. Wenn ich mich nicht konzentriere und mich umdrehe, geht das Pferd ganz sicher nach links. Mein Ziel ist wahrschein- lich doch, dass ich egal was ich mit dem Pferd mache, ich mit ihm stets eine Harmonie finde. Was müssen Sie am meisten korrigieren bei Ihren Schülern? Ich sag den Reitern oft, je weniger sie auf dem Pferd machen, umso mehr geht. Das ist wirklich so. Sie müs- sen auf dem Pferd im Gleichgewicht sein. Wenn sie sich bewegen, muss das Pferd mitgehen. Das Schwierigste ist es, den Reitern beizubringen, dass sie nicht so viel machen. Je mehr sie machen, desto mehr stören sie das Kerlchen unter sich. Sie müssen ihrem Pferd mit ihrem Kör- per klar machen was sie wollen. Also kann man die Reitweise nennen wie man will, es kommt immer auf die Grundlage an? Ganz viel vom Reiten ist Phy- sik. Warum ich nach rechts umfalle, wenn ich mich nach rechts neige. So ein- fach ist das. Stattdessen gibt es Trainer, die erzählen einem was vom Zungenbein und dem Muskulus Piriformis, der den Oberschenkelknochen nach links oder rechts dreht, wenn sie links oder recht galoppieren. Das ist doch Quatsch. Solange man im Galopp ru- hig sitzen kann und die Bewegung mitgehen kann, braucht man über so- was gar nicht nachzudenken. Solange ein Pferd nicht stehen bleibt, braucht man auch nicht darüber nachzuden- ken, ob es auf dem Hufschlag steht oder an den Hilfen steht ? es steht überhaupt nicht. Es bewegt sich, es wackelt, es tritt hin und her. Damit kann man heute Weltmeister werden. Früher hat man gesagt, dass ist kein gerittenes Pferd. Heute kommt die FN und sagt, das Pferd ist so leicht im Genick, es könne nicht mehr ru- hig stehen. Gegenfrage: Ist dass dann noch ein Reitpferd, dass ich einem Nicht-Profi in die Hand geben kann? Das ist die Frage, ob den Leuten denn bewusst ist, dass genau das keine Reitkunst ist. Die Alternative ist aber auch nicht besser: ohne Sattel und barfuß, mit einem Halsring durchs Gelände. Ne- ben der Autobahn mit einem Bände- le? Wenn da ein Hase aufspringt und das Pferd auf die Fahrbahn rennt, können Menschen verletzt werden. Unsere heutige Umwelt ist fürs Rei- ten nicht mehr gemacht. Wir müssen es so gestalten, dass es auch für die anderen Menschen kompatibel ist. Verfolgen Sie Reiter-Diskussionen im Internet? Ja ich bin auf Facebook. Es wird un- glaublich viel Unsinn geschrieben. Und mir fällt auf, dass die Leute, die sich am Wenigsten in die Reiterei ge- dacht haben, die größte Klappe ha- ben. Denen darf man auch mal sagen, dass es so nicht geht. Das mache ich dann schon ganz gern. Können Sie Reiter etwas ans Herz legen, worin jeder etwas verbessern kann? Ganz klar Gehorsam. Egal ob Sie am Waldrand entlang galoppieren, ob Sie Polo spielen oder springen: Ein Pferd das nicht gehorcht ist lebensgefähr- lich. Das sind 600 Kilo ziemlich pa- nische Masse. Egal was Sie machen, das Pferd muss gehorchen. Wie man das antrainiert, das ist eine andere Frage. Richtig muss man es machen! Wenn das Pferd hopst und Sie klop- fen ihm den Hals, dann erziehen Sie Ungehorsam. Ich bin immer dafür, piano vorzugehen. Pferde verstehen uns wahnsinnig gut. Ich muss auf das Pferd eingehen und das annehmen, was es mir anbietet. Das Lob ist ei- gentlich die größte Macht, die wir über das Pferd haben. Nicht die Ger- te, die Sporen oder die Kandare. Mit Streicheln und einer tiefen Stimme sagen wir: ?Freund, das war gut.? Das macht Pferde stolz und das merken sie sich. Text/Foto: Judith Schmidhuber Reiter-Kurier · Dezember/Januar 2017/2018 7 HEUGE F LÜST ER Für sein umfangreiches Wissen und seine Art, Dinge deutlich zu erklären, ist Dr. Hans-Walter Dörr bekannt. Plätze in seinen Reitkursen sind begehrt. Wir haben den 78-Jährigen aus Loppen- hausen (Landkreis Unterallgäu) zum Interview im Hengststall Götzberger bei Obing (Landkreis Traunstein) getroffen.

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