Reiter-Kurier August 2017

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24 Reiter-Kurier · August 2017
T I T E LTHEMA : RE I T EN L ERNEN
N ie war es so pädago-
gisch wertvoll und
vielfältig, die Kunst
des Reitens zu erler-
nen wie heute. Krea-
tivität und Spaß an der Bewegung zu
vermitteln und fördern ist aber auch
wichtiger denn je. Denn es ist eine Tat-
sache, dass Kinder von heute sich we-
niger bewegen, als noch Ende des ver-
gangenen Jahrhunderts. Wo damals To-
ben mit den Nachbarskindern auf dem
Programm stand, sitzt man heute oft
lieber gemeinsam vor dem Computer
oder Smartphone. Auch dies hat zwei-
felsohne seine guten Seiten, doch Bewe-
gung außerhalb des Schulsports muss
gefördert werden. Durch die zuneh-
mende Verstädterung haben viele Kin-
der nämlich nur noch
unzureichend Möglich-
keit, ihrem Bewegungs-
drang freien Lauf zu las-
sen. Schon gar nicht,
ohne abgegrenzte Räu-
me, wie einen Spielplatz
oder Sporthalle, zu ver-
lassen. Oft verfügen Kinder daher über
geringere motorische Fähigkeiten als
früher. Dies geht nicht selten auch mit
einem höheren Gewicht und weniger
Beweglichkeit einher.
Reiten ist ein Sport, der die Persön-
lichkeit von Kindern (ebenso wie Er-
wachsenen) entscheidend prägt. Auch
dies ist ein wichtiger Aspekt, der Aus-
gleich zur virtuellen Welt bieten kann.
Kinder sind generell zunächst of-
fen, neugierig und möchten Dinge
entdecken – und genau das sollte mit
gutem Reitunterricht gefördert wer-
den. Der Reitsport bietet Kindern eine
Aufgabe, an der sie wachsen und sich
selbst kennenlernen können. Der Um-
gang mit dem Pferd will erlernt wer-
den, doch wenn einem dies gelingt,
hat man in seinem Partner Pferd einen
Freund und Leidenschaft fürs Leben
gefunden. Die Reitschule bietet aber
auch die Möglichkeit, strukturiertes
Handeln ebenso zu erlernen, wie Re-
geln anzuerkennen und ein intaktes
Sozialverhalten unter Menschen sowie
Mensch und Tier zu fördern.
Der Reitunterricht sollte zunächst
mit einer Grundlagenschulung be-
ginnen. Den Anfang macht dabei die
Longe, an der auch die Beweglichkeit,
Kondition und Koordination der Kin-
der (und immer mehr Erwachsenen,
die den Weg aufs Pferd finden) schu-
len lässt. Ohne Angst, dass das Pferd
durchgehen kann, entwickelt sich ein
erstes, ganz erstaunliches Vertrauens-
verhältnis, welches für die spätere ei-
gene Kontrolle des Pferdes die beste
Grundlage darstellt. Daraufhin folgt
das Abteilungsreiten und später Ein-
zelstunden mit speziellen Inhalten
aus unterschiedlichen reitsportlichen
Disziplinen. Von Anfang
an sollten Theoriestun-
den sowie Bewegungs-
schulung und Inhalte wie
Reiterspiele einen festen
Platz im Unterrichtskon-
zept haben. Wichtig ist,
dass der Reitunterricht
sich stets nach den individuellen Fähig-
keiten der Schüler richtet und dass der
Reitlehrer auf diese jeweils genau ein-
geht. Der Unterricht sollte außerdem
stets positiv und motivierend sein.
Schimpfen oder negative, unsachliche
Äußerungen können Kinder wie Er-
wachsene schwer treffen und womög-
lich den Spaß am Unterricht verder-
ben.
Um guten Unterricht zu bieten,
muss auch der Reitlehrer bereit sein,
sich stets weiterzubilden und sich
neuen Konzepten und pädagogischen
Ideen nicht zu verschließen. Um gu-
ten Reitunterricht zu geben, sind zum
einen fundierte Kenntnisse des Reit­
sports und dessen Lehre, von Trai-
ningslehre und Bewegungslehre, sowie
hinsichtlich Pädagogik und Didaktik
wichtig. Außerdemmuss der Reitlehrer
die Fähigkeit besitzen, seine Korrek-
turen verständlich zu vermitteln und
Zusammenhänge in seinemUnterricht
für alle klar darzustellen. Er sollte in je-
der Hinsicht eine Vorbildfunktion für
die Kinder und Jugendlichen einneh-
men, was bedeutet, in jeder Lebenslage
Respekt undWertschätzung zu vermit-
teln – den Reitschülern und Pferden
gegenüber. Weiterbildung durch Kur-
se, Lehrgänge und persönliche Weiter-
bildung durch Bücher und Lehr-DVDs
sind eine wichtige Unterstützung auf
demWeg dorthin.
Reiten lernen heißt
auch, den Umgang mit
dem Pferd zu beherr-
schen. Aufhalftern
und führen gehört zu
den ersten Grund-
lagen.
Reiten
prägt
die Persönlichkeit
von Kindern.
ÜBER DIE AUTORIN
Die Pferde-Journalistin Alexandra Koch ist auf den
bekanntesten Turnierplätzen und Reitställen unter-
wegs, schreibt Fachbeiträge und Bücher über das
Reitsportgeschehen. Für den Reiter-Kurier recher-
chierte sie über das Thema Reitunterricht.