Reiter-Kurier Dezember 2019

16 Dezember 2019 | VERONAS VERRÜCKTE PFERDEWELT W er schon mal auf einer deutschen oder österreichi- schen Pferdemesse war, der wird sich wundern: Verona ist anders. Quirlig, laut, chaotisch. Die Fieracavalli gilt als zweitgrößte Pferdemesse Euro- pas nach der Equitana in Essen. Reit- sport, Rassen, Vorführungen und Ein- kaufsmöglichkeiten gibt es hier zwar auch. Aber bei den Italienern steht das Erlebnis im Vordergrund. Da herrscht Volksfeststimmung zwischen Fress- meile und Reitarena. Spanferkel brut- zeln über offenem Feuer, Südtiroler singen ?I wui hoam noch Fürstenfeld?. Und überall Pferde. Ich muss ständig aufpassen, nicht auf einen Hund oder in Pferdeäpfel zu treten. Die Stars der Messe bewegen sich nämlich genauso durch die Straßen und Gänge wie die Besucher. Auf Sicherheitsabstand legt man auf der Fieracavalli keinen Wert, weder Reiter noch Pferde haben Be- rührungsängste. Mal überholen einen Reiter vom Verband der italienischen Freizeitreiter, dann toskanische Cow- boys, die Butteri, auf ihren kräftigen Maremmapferden, mal bekommt man von Carabinieri hoch zu Ross ein ?At- tenzione? zu hören. Die Italiener gehen gern auf Tuchfüh- lung. Wäre es auf einer Equitana mög- lich, dass ein Besucher die Boxentür öffnet, um ein Selfie mit einem Hengst zu machen? Vor allem auf Friesen sind sie scharf. Die schwarzen Perlen wer- den auf der Fiera geradezu gefeiert. Auch spanische Pferde: Auf allen Boxen ist ?venduto? zu lesen ? verkauft. Die Reitringe sind voller barocker Schön- heiten mit Wallemähne und schwung- vollen Gängen. Mein hart erkämpfter Sitzplatz auf der Tribüne in der ersten Reihe hilft mir nicht viel, weil sich eine Gruppe italienischer Zuschauerinnen direkt vor mich stellt. Äh, scusi? Macht aber nichts, denn schnell wird mir klar, dass ich den Friesenreiter mit dem Adriano-Celentano-Grinsen gar nicht sehen möchte. Das reiterliche Niveau ist...naja...anders. Da gehe ich lieber rüber zur Parelli-Vorführung. Die Halle wird im Programm als ?horse- friendly? angepriesen: Damit geben die Italiener zu, dass es bei ihnen mit dem hierzulande längst hoch lebenden Horsemanship nicht weit her ist ? zu- mindest noch nicht. Aber Spitzensport können sie! Westernreiten steht in Italien hoch im Kurs. In der Reiningarena sliden Gina Schumacher und Grischa Ludwig, um denmit 40.000 Dollar dotierten NRHA- Titel. Stolz tragen die italienischen Cow- boys ihre Baseball-Caps mit dem Logo des Elementa Reining Teams. ?Love the Animal first and the Sport second? steht in großen Lettern über dem Abreite- platz. Offensichtlich können das nicht alle Cowboys lesen, wennman ihrGezer- re an den Zügeln so betrachtet. Aber das Plakat spricht für Elementa: Das Team möchte ein Zeichen für mehr Tierwohl im Reitsport setzen. Schön, denn der Name wird in Zukunft Furore machen ? auch außerhalb der Westernreiter- Szene: Derzeit entsteht nahe Rom das Elementa Centre, eine riesige Reitan- lage mit Stallungen für 800 Pferde, auf der vermutlich 2022 die Weltreiterspie- le stattfinden. Die Weltelite einer anderen Disziplin tummelt sich zehn Meter weiter auf der Fieracavalli: In der großen Arena reiten gerade Christian Ahlmann und Rock- star-Tochter Jessica Springsteen um den Sieg im FEI Weltcup Springen über Wer glaubt, zu wissen, aus wie vielen Welten der Reitsport besteht, der war noch nicht auf der Fieracavalli. Die Pferdemesse in Verona hat sie alle: Laien, Machos, Showstars und begnadete Pferdeflüsterer. Fieracavalli PFERDEMESSE

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