Reiter-Kurier Oktober 2019
34 Oktober 2019 | D as Pferd wurde schon bei den Germanen besonders verehrt. Vor allem die Schimmel waren von einemmystischen Kult umgeben und wurden deshalb in geheiligten Hainen als Weiherösser untergebracht. Sie muss- ten keinerlei Arbeiten verrichten und wurden als Orakel befragt. Ihr Wiehern und Schnauben deutete man als Vorzei- chen für kommende Geschehnisse und sah somit das Pferd als Sprachorgan der Gottheiten an. Die Verehrung des Pferdes nahm teilweise Formen und Auswüchse an, die bis zur Dämonisierung ? vor allem des Schimmels ? führten; der Pferdefuß als Zeichen des Teufels mag aus dieser übertriebenen Verehrung des Pferdes entstanden sein. ImVer- lauf der Bekehrung der Germanen diente das Pferd als helfender Vermittler bei der Christianisierung. Dabei beließ man den zu Bekehrenden das mit den Pferden ver- bundene Brauchtum in abgewandelter Form. So verstanden es die christlichen Glaubensboten in vorzüglicher Weise, den germanischen Gottheiten den Schim- mel zu nehmen, ihn aber nicht dem Gott der Christen zuzuteilen. Im christlichen Glauben ist niemals Gott beritten dar- gestellt, sondern nur die verschiedenen Heiligen wie etwa St. Georg oder St. Mar- tin und somit ein Mensch, wie die zu be- kehrenden Leute. Als typische Pferdepat- rone denen zu Ehren Umritte abgehalten werden, gelten in Bayern vor allem St. Leonhard, St. Martin und Georg, sowie der Erzmartyrer Stephanus. Die Hei- ligen Georg und Martin brachte man aufgrund ihres Soldatenberufes zwangs- läufig mit Pferden in Verbindung. Auf Umwegen kam der heilige Leonhard, dargestellt mit Gefangenenketten, vom Fürsprecher für unrechtmäßig Verurteil- ten zum Viehpatron. Die bäuerliche Be- völkerung hielt die Gefangenenketten mit Handschellen für Viehketten und erflehte von ihm fortan Beistand für das Vieh im Stall. Bayerns größter Stephani- umritt am26. Dezember in Erharting bei Mühldorf Wie der heilige Stephanus zum Rosspa- tron kam liegt etwas im Dunklen. Nach Überlieferung spielten im Leben des ers- ten Martyrers der Christenheit Pferde überhaupt keine Rolle. Eine der Legenden berichtet, dass er Stallknecht bei König Herodes gewesen sei und beim Tränken der Pferde den Stern entdeckte, der die Geburt Christi verkündete. Für die Über- bringung der Nachricht von der Geburt des Herrn ließ ihn König Herodes steini- gen. Eine andere Deutung für die Bezie- hung zu Pferden geht auf seinen Festtag, den Tag seines Martertodes am 26. De- zember zurück. In diese Zeit fiel das Jul- fest, das Mittwinterfest unserer germani- schen Vorfahren. Dieses Fest dauerte bis zu einer Woche und wurde mit Pferde- opfern feierlich begangen. Da der heilige Stephanus in dieser Zeit seinen Gedenk- tag hat, war seine Berufung zum ersten Schutzherrn für die Pferde eine logische Folgerung. Im Volksleben spielte der Tag des heiligen Stephanus seit vielen Jahrhunderten eine bedeutende Rolle. Im Mittelalter hielten die Ritter an diesem Tag besondere Tur- niere und Rennen ab. Den Sieger beim Stephanirennen nannte man ?Steffen?, er wurde anschließend von seinen Kame- raden Zechfrei gehalten. Aber auch die Bauern fanden sich in vielen Gegenden zum Stephaniumritt und Stephanirennen ein. Vor allem auch kranke Pferde brach- te man zum Umritt um deren Heilung durch Gebet und Segen des Geistlichen zu erwirken. Hierzu wurden Segnungs- texte verlesen die in inniger Beziehung zu den wertvollen Arbeits- und Reitpferden standen. Die typisch bayerisch anmuten- den Umritte, wie auch der Stephanium- ritt in Erharting hatten ihren Ursprung VomheidnischenWeiheross zur christlichenRossweihe Pferde nehmen im Christentum seit jeher eine bedeutende Rolle ein. Das zeigt sich besonders gut am Beispiel des Heiligen Stephanus. BRAUCHTUM
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