Reiter-Kurier Oktober 2019

26 Oktober 2019 | P ferdebesitzer kennen die Situation: Da betrachtet ein Laie mein Pferd und wenn das Geschlecht und die Rasse geklärt sind, folgt stets die Frage nach dem Alter. Ist der Vierbeiner älter als 15 Jahre, bekomme ich in der Regel weit aufgerissenen Au- gen zu sehen und ein verwundertes ?was, schon so alt?? zu hören. Ich selbst habe dafür wenig Verständnis, ärgere mich insgeheim über die Reaktion. Schließlich ist mein Pferd doch gepflegt, topfit und der Gedanke ans Rentnerdasein noch nicht einmal ansatzwei- se da. Und überhaupt: Ab wann gilt ein Pferd denn als alt? Das lässt sich nicht konkret beantworten. Das eine Pferd hat be- reits mit 18 Jahren seine Zipperlein, während ein anderes mit 30 Jahren noch putzmunter über die Weide galoppiert. Ähnlich ist es beimMenschen doch auch: Manch einen plagen zu Rentenbeginn schon Beschwerden, andere erklimmen mit fast 80 noch Berge. Was beim Pferd aber ziemlich klar ist: Im Alter von etwa 13 bis 16 Jahren stehen sie auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähig- keit. Danach nimmt sie stückweise ab. Turnierpferde werden in der Regel mit 16 aus dem aktiven Sport verabschiedet. Obwohl das keinesfalls heißt, dass sie dann nichts mehr leisten können. Entscheidende Faktoren beim Alterungsprozess des Pferdes spie- len die Rasse, die Haltung, Pflege und die Arbeit, die die Pferde leisten müssen. Und klar: Ein bisschen Glück gehört dazu. Beim Menschen ja auch. Die Lebenserwartung des Pferdes hängt insbesondere mit der Ras- se bzw. mit dem Typ zusammen. Das höchste Alter erreichen in der Regel Robustpferderassen, sehr alte Pferderassen. Pferderassen, die rein gezogen wurden. Shetlandponys und Islandpferde etwa sind bekannt dafür, sehr alt zu werden ? also auch hin und wieder über 40 Jahre. Die New-Forest-Stute Laura wurde am Gnadenhof Chiemgau stolze 52 Jahre alt und galt lange Zeit als ältestes Pferd Deutschlands. Auch unter Arabern gibt es viele rüstige Rentner, die sogar mit 30 noch Distanzen laufen. Sie sind oft noch bis weit in die zwanziger Lebensjahre voll leistungsfähig. Warmblutpferde wer- den in der Regel 25 bis 30 Jahre alt. Die geringste Lebenser- wartung haben kalt- blütige Pferderassen. Die Gesundheit spielt natürlich eine wichtige Rolle und damit in direktem Zusammenhang steht die Haltung: Pferde sind Lauftiere, Herdentiere, Frischluftfanatiker, Rund-um-die-Uhr-Fresser. Sie sol- len sich möglichst viel frei und gemeinsammit Artgenommen bewe- gen können. Gesunde Ernährung ist außerdem entscheidend: Dafür ist in erster Linie einwandfreies Heu nötig. Pferde sind Weltmeister imVerbergen von gesundheitlichen Defiziten: Es liegt also am Besit- zer, Probleme zu erkennen (noch besser: vermeiden), auszumerzen und dem Pferd so zu Wohlbefinden bis ins hohe Alter zu verhelfen. Einfluss auf die Alterung hat auch die Art und Weise, wie Pferde gearbeitet werden. Schonen oder verschleißen? Immer wieder ent- brennt die Diskussion, ob es sinnvoll ist, einen Junghengst mit drei Jahren schon fertig ausgebildet vorzustellen. Die Ausbilderin Anja Beran ist große Verfechterin der schonenden Vorgehensweise: Das bedeutet in erster Linie langsamer und später. Ein Pferd, das in sei- nem Tempo ans Reitpferdeleben herangeführt wird und stets mit Training und Bewegung geschmeidig gehalten wird, hat weitaus bessere Aussichten, ein hohes Alter zu erreichen. Wie ist es denn beim Menschen? Eine gesunde Lebensweise, Be- wegung, glücklich sein. Das nennen rüstige Senioren stets, wenn sie nach ihrem Geheimnis gefragt werden. Man ist nur so alt wie man sich fühlt, heißt es. Das dürfte auch fürs Pferd gelten. Wenn euch also das nächste Mal jemand nach dem Alter eures Pferdes fragt und erschrocken reagiert, fragt ihn doch nach seinem Alter. ?Was, schon so alt?? Text: Judith Schmidhuber Foto: Antonia Lauber Rasse, Haltung, Pflege und Arbeit wirken sich auf den Alterungsprozess aus. Im Grunde genommen ist es wie beim Menschen auch. Altwerdenund dabei fit bleiben PFERDESENIOREN

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