Reiter-Kurier Juni 2019

J etzt hängt der Hut mitten im Baum. Der Ast, unter dem der Hopfenlandcowboy durchgeritten ist, war also doch zu tief. Ich kann nicht anders: Ich muss laut loslachen ? und das mitten im Wald. Alle Pferde bleiben stehen. ?Wartet mal kurz, wir haben hier einen Hutverlust?, ruft uns Chris- tian Dörfler zu und jetzt lachen auch die anderen los. Er reitet zu der Buche zu- rück, parkt Paint-Wallach Magic ein und pflückt seinen Strohhut aus dem Baum. ?Das bedeutet dann wohl, ich muss nach dem Ritt eine Runde Hopfenschnaps ausgeben?, meint der Wanderreitführer grinsend. Perfekt, das hat sich doch ren- tiert für uns! Der Strohhut ist sein Markenzeichen. So gut behütet führt uns Christian, alias der Hopfenlandcowboy, durch die Hal- lertau. Eine Gegend, die sich anschickt, nicht nur unter Bierkennern ein Begriff zu werden, sondern auch unter Wan- derreitern. Ich bin nach den ersten fünf Kilometern schon schwer begeistert: malerisch. Das Wort geht mir nicht aus dem Kopf. Oben der blaue Himmel, un- ten der sattgrüne Wiesenweg. Elf Pferde mit ihren Teilzeit-Cowboys im Sattel, das muss ein schöner Anblick sein, zu- mindest bleiben ein paar Radfahrer ex- tra stehen, um uns freundlich zu grüßen. Ich habe größte Bedenken, dass der Spei- cher im Handy für die vielen Fotos und Videos nicht ausreichen wird, die ich auf diesem Ritt machen werden: So tolle Mo- tive! Die Reihe der am Birkenwald ent- langtrabenden Pferde. Die Sonnenstrah- len, die durch die ersten zarten grünen Blätter hindurch blinzeln. Und der Klas- siker: Landschaft zwischen Pferdeohren. Mit dem warmen Aprilwind und dem Duft der Sonnencreme fühlt es sich fast schon wie Sommer an. Wir schlängeln uns über schmale Pfade durchs Holz. Ge- trocknetes Moos bedeckt den Waldbo- den wie ein Fleckerlteppich. Die Pferde marschieren fleißig und fast lautlos. Und Christian erklärt mir meine brennende Frage nach dem Unterschied zwischen Hallertau und Holledau: Es gibt gar kei- nen, das ist hochdeutsch und bayerisch. Eigentlich ist Holz sein Hauptberuf, Christian ist Chef seiner eigenen Schrei- nerei. Seine Leidenschaft gibt auch dort den Takt an, denn gearbeitet wird nur vier Tage die Woche, die restlichen drei verbringt der Hopfenlandcowboy im Westernsattel. Die Inspiration zum Wanderreitbetrieb kam ihm in einem Reiturlaub im oberösterreichischen Mühlviertel. Dort lernte er Felix Kern kennen, einen der Gründer des bekann- ten Wanderreitgebiets. ?Der Felix sah in mir einen guten Wanderreitführer, aber da habe ich erst nicht groß was drauf- gegeben?, erinnert sich Christian. Wie- der daheim in Au in der Hallertau kam ihm aber die Erkenntnis: Eigentlich hat seine Heimat alles, was sich Wanderrei- ter wünschen. ?Das war wirklich so: Ich habe die Gegend auf einmal mit ganz an- deren Augen gesehen.? Ein dichtes Netz an Feld- und Wiesenwegen für kilome- terweite Ausritte, endlose Galoppstre- cken, sanfte Anstiege. Und die Aussicht! Danach sehnen sich Teilzeitcowboys: Der Anblick der Landschaft zwischen den Pferdeohren ist genau die Art von Erholung, die Wanderreiter suchen. Judith Schmidhuber hat vom Sattel aus einen Film über diesen Ritt für Facebook und Instagram gedreht judith.schmidhuber@reiterkurier.de ?Ich habe die Gegend auf einmal mit ganz anderen Augen gesehen? Christian Dörfler, Wanderreitführer 23 Juni 2019 |

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