Reiter-Kurier Mai 2019

R eiten ist gar kein richtiger Sport, denn das Pferd macht die ganze Arbeit.? Schon mal gehört? Ein Irrglaube. Wer das behauptet, saß wahr- scheinlich noch nie für längere Zeit im Sattel ? und wird spätestens nach der ersten richtigen Reitstunde eines Bes- seren belehrt. Der anschließende Mus- kelkater zeigt, wie viele und vor allem welche Muskeln zum Einsatz kommen: Reiten ist vollständiger Körpereinsatz ? nicht nur im Turniersport ? und wirkt sich (positiv) auf den ganzen mensch- lichen Organismus aus: auf Stütz- und Bewegungsapparat, die Herz-, Kreis- lauf-, Atmungs- und Stoffwechsel- reaktionen sowie das Nervensys- tem und die Psy- che. Eine gewisse Grundlagenaus- dauer und Mus- kelkraft ist jedoch auch für Freizeit- reiter unerlässlich. ?Fitness im Sattel ist vor allem auch Unfallprävention? betont Dr. Julia Schmidt, die eine Spezialsprechstunde für Pferdesportler am Universitäts- krankenhaus Eppendorf leitet. Die Dressurreiterin und Fachärztin für Or- thopädie, Unfallchirurgie und manuelle Medizin erklärt: ?Im Falle eines Sturzes muss ich in der Lage sein, mich schnell genug vom Pferd wegzurollen. Das ist nicht nur eine Frage der Koordination, sondern auch der Kraft. Müde Muskeln reagieren langsam. Und das ist ein Si- cherheitsrisiko.? Für Reiter ist es selbstverständlich, ihr Pferd aufzuwärmen, zu lösen und zu gymastizieren, seine Muskulatur und Kondition aufzubauen, um lange fit und gesund zu bleiben. An die eigene Fitness denken dagegen die Wenigsten. ?Reiten ist Sport wie jeder andere. Doch ein vor- heriges Aufwärmen, wird oft stiefmüt- terlich behandelt?, weiß Christine Ginei- ger zu berichten. Die Pferdeosteopathin und Human-Physiotherapeutin aus Altenmarkt (Landkreis Traunstein) lei- tet funktionelle Reitergymnastik-Kurse und bietet Sitzschulungen an. Während Sportler anderer Sparten nicht nur ?ihre? Sportart ausüben, sondern sich für ein ganzheitliches Trai- ning nebenbei noch anders sportlich be- tätigen, denken Rei- ter in der Regel nicht daran. Nicht einmal ans Dehnen. Und das, obwohl es dabei hilft, Schwächen in der Muskulatur aus- zugleichen sowie Verletzungen zu ver- meiden. Ein Aspekt, der für Berufsreiter gleichermaßen gilt wie für Freizeitreiter. Diese feilen zwar oft an ihrer Technik, vergessen allerdings, ihren Körper und dessen Belastbarkeit zu stärken. Um ausgeglichen auf dem Pferd sitzen zu können, benötigt man Konzentration, Balance und Körperspannung, vor allem im Bauch und im Rücken. Man muss die Bewegungen des Pferdes ausgleichen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. An- und Entspannung wechseln sich ab. Schenkelhilfen gibt man mit der Schien- FÜNF ÜBUNGEN FÜR MEHR BEWEGLICHKEIT UND KRAFT IM SATTEL ? ? Ein Fuß steht komplett auf einer Treppenstufe, vom anderen nur der Fußballen. Die Ferse befindet sich im Überhang. Die Ferse nach unten kippen und dabei lang- anhaltend dehnen. Das ist eine wichtige Übung für die Wade und verhilft zu einem langanhaltenen tiefen Absatz. ? ? Klassischer Ausfallschritt: Ein Bein vor das andere stellen, das Becken nach vorne schieben bis ein Zug in der Leiste spürbar wird. Bei dieser Übung wird der Hüftbeuger gedehnt, was die allgemeine Beweglichkeit der Hüfte im Sattel verbessert. ? ? Schultern kreisen, rückwärts oder gegengleich (nicht vorwärts, denn man möchte ja die Aufrich- tung aktivieren). Diese Übung lässt sich auch prima auf dem Pferd ausführen. Damit lockert man die Schultern, die gesamte Schultermuskulatur wird ge- stärkt. ? ? Neben dem Pferd im Schritt auf dem Platz hergehen. Dabei kann mn das Schritttempo und die Schrittart variieren und Bewe- gungsabläufe einbauen: Ausfall- schritte einbauen, Storchengang, Knie nach oben ziehen, Hopser- lauf, Hüfte rotieren. ? ? Während man im Sattel sitzt den Brustkorb dehnen, indem man den Oberkörper bis zur Krup- pe rotiert (und das Pferd dort tätschelt). ?Yoga und Pilates sind optimal, weil sich deh- nende und kräftigende Elemente abwechseln.? Chrstine Gineiger, Pferdeosteopatin und Human-Pysiotherapeutin 11 Mai 2019 |

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