Reiter-Kurier November 2018

Das Re i t er - Kur i er - I nt erv i ew Also waren Sie immer wieder neu fokussiert und haben gar nicht darüber nachgedacht, dass Sie gerade Geschichte schreiben könnten? Ich habe immer versucht, mich neu zu fokussieren, konzentriert zu bleiben. Jeder Tag brachte einen neuen Par- cours, den ich konzentriert für sich an- gehenmusste. Ich habe das große Gan- ze ein wenig ausgeblendet und wirk- lich darauf geachtet, dass ich mich nur auf das konzentriere, was am jewei- ligen Tag anstand. Bei all dem Weltmeister-Taumel wird in den Medien ja fast manchmal Mannschafts-Bronze vergessen. Den Titel haben sie ja gemeinsam mit Markus Ehning, Laura Klapake und Maurice Teb- bel vor der Einzelentscheidung geholt. Ich habe mich unheimlich über die Bronzemedaille mit dieser tollen Mannschaft gefreut. Diese Medail- le hat mir auch ein wenig den Druck vor demEinzel genommen. Drei wun- derschöne Nullrunden waren uns zu diesem Zeitpunkt ja schon gelungen. Damit so zur Mannschaftsmedaille beigetragen zu haben, war schon ein Traum. Ich habe diesen Erfolg einfach genossen und mir gedacht, was jetzt im Einzel noch kommt, ist nur das i-Tüpfelchen. Haben Sie denn zu diesem Zeit- punkt schon daran gedacht, dass es mit einer Einzelmedaille klap- pen könnte? Puh, an eine Einzelmedaille zu glau- ben, das fällt sicherlich schwer. Für mich war es eine Wahnsinnsleistung, überhaupt ins Finale zu kommen und mein Ziel war es, dort noch einmal gu- te Runden zu zeigen. Dass es dann so ? wie soll ich sagen ? immens toll gelin- gen würde mit zwei Nullrunden, das lag außerhalb des Vorstellbaren. Ich meine, ich wusste schon, dass Alice das kann. Ich wusste auch, dass ich Null reiten konnte in so einer Situa- tion. Aber dass die Nerven dann tat- sächlich hielten und wir genau das zeigen konnten, war natürlich un- glaublich toll. Wie sind Sie denn mit dem Druck, der auf einem lastet, wenn man als Letzter in den Parcours geht, umgegangen? Ich glaube, der Schlüssel zum Erfolg war, dass ich mir diesen Druck gar nicht gemacht habe. Beziehungswei- se habe ich ihn nicht an mich rankom- men lassen. Für mich war die Medail- le ein Ziel und das hatten wir schon mit der Mannschaft geschafft. Zwi- schen den zwei Umläufen habe ich mich etwas abseits hingesetzt und wollte einfach für mich sein. Das tut mir immer sehr gut. Ich habe noch- mal über den Parcours und die Nullrunde nach- gedacht und bin in Ge- danken den finalen Um- lauf durchgegangen. So verging die Zeit eigent- lich sehr gut und schnell. Aber klar, die Freude war nicht zu beschreiben danach. Es war überwältigend, so etwas zu erleben. Als ich aus dem Parcours kam, war auch diese Anteilnahme von allen ein unglaubliches Gefühl. Auch die vielen Botschaften per Whatsapp, Facebook und Co., für die ich mich gar nicht ge- nug bedanken kann, waren sehr spe- ziell für mich. Das ganze Team, all die Reiterkollegen, die mir alle gratuliert haben, so etwas erlebt man eben nur in diesem Rahmen. Ihre Stute Alice gilt ja nicht nur als hochtalentiert, sondern auch sehr intelligent. Denken Sie, dass Alice realisiert hat, dass Sie etwas Groß- artiges vollbracht hat? Ich denke, dass sie bemerkt hat, dass sie etwas ganz Besonderes geschafft hat und dass an diesem Tag eine besondere Atmosphäre herrschte, anders als auf an- deren Turnieren. Sie hat sich dann auch ganz stolz unter mir bewegt. Alice hat nach der WM zehn ihrer heißgeliebten Mangos verspeist und ist dabei sehr ge- nüsslich vorgegangen, sie hat sie Stück für Stück verschlungen. Wir hatten ihr zehn bei einer Medaille versprochen und diese dann auch vor Ort in Tryon besorgt. Sie hat aber auch noch viele Mangos ge- schenkt bekommen. Die meisten muss- ten aber noch reifen, denn Alice mag sie am liebsten richtig vollreif. Und gleich nach der WM stand noch ein besonderer Termin an: Ihre Hochzeit mit Ihrem Lebensgefährten und Trainer Hansi Goskowitz. Ja, Hansi und ich haben Ende Oktober geheiratet. Er heißt jetzt Hansi Blum, ihm gefällt mein Nachname sehr. Die Hoch- zeit ist in unserem gemeinsamen Jahr nochmal ein Höhepunkt gewesen. Wie geht es eigentlich Ihrem Ol- die, dem Hannoveraner Flying Boy, mit dem Sie Ihre ersten großen Er- folge, unter anderen in Nürnberg, feierten? Flying Boy geht es ganz wunderbar. Er ist nach wie vor auf unserem Hof, wird täg- lich von uns dressurmäßig geritten, weil er so topfit ist. Er hat seine Kumpels, mit denen er jeden Tag auf die Koppel geht. Ihm geht´s wirklich fantastisch und ich hoffe, dass das noch lange so bleibt. Interview: Alexandra Koch Foto: CWDDeutschland Pro Monat ein Turnier für Weltmeister-Stute Alice Nach der WM plant Simone Blum noch drei Turniere mit ihrem Weltmeister-Pferd. Start war am letzten Oktober-Wochenende in Verona, die dritte Weltcup-Etappe. Danach reitet sie ihre Alice Mitte November bei der fünften Weltcup-Station in Stuttgart und Anfang Dezember bei der Grand-Slam-Veranstaltung in Genf. Jeden Monat nur ein Turnier mit Alice, danach bekommt Alice eine längere Pause. Dann geht es um die Planung des kommenden Jahres. "Welche Weltcup-Turniere sie im kommenden Jahr reitet, hängt auch davon ab wie viele Punkte sie dann hat?, sagt Bun- destrainer Otto Becker: ?Nach den zwei Stationen muss man schauen, ob sie weitermacht.? Das Problem ist, das Deutschland pro Etappe nur drei si- chere Startplätze, aber viele interessierte Reiter hat. Klar ist für die Weltmeisterin: Sie wird mit Alice nicht um die ganze Welt reisen und nicht bei der Global Champions Tour reiten, "weil das zu viel ist?. Blum setzt ihre Stute gezielt und im Zweifel selten ein. Sie ließ auch im Sommer einige Chancen bei hoch dotierten Veranstaltungen aus, konzentrierte sich ausschließlich auf die WM ? und wurde dafür mit Einzel-Gold und Team-Bronze belohnt. Ich habe mir keinen Druck gemacht, das ist der Schlüssel zumErfolg.? Simone Blum, Weltmeisterin 8 Reiter-Kurier · November 2018

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