Reiter-Kurier Oktober 2018

Das Re i t er - Kur i er - I nt erv i ew 10.000 Kilometer Glücksgefühle Erst kam die Lust auf ein Reitabenteuer. Dann folgte die Liebe und ein völlig neues Leben: Sonja Endlweber ritt mit Günter Wamser durch die USA, Kanada und Alaska. Sieben Jahre später ist klar: Wer so lange mit Pferden reiste, möchte nie wieder etwas anderes machen. Was war zuerst da: Die Lust aufs Reisen oder aufs Reiten? Sonja Endlweber: Aufs Reisen. Na- ja. Geritten bin ich schon als kleines Mädchen. Dann hatte ich nichts mehr mit Pferden zu tun, bis ich den Günter kennengelernte. Ich war auf seinem Vortrag über seinen Ritt durch Süd- amerika. Er suchte eine Reitbeglei- tung. Ich wollte mir eigentlich nur ei- ne Auszeit nehmen, ein Jahr reiten und dann wieder arbeiten. Das war 2006. Es kam anders. Ich bin nicht wieder zurückgekehrt. Ihr Plan war es, mit vier Pferden 10.000 Kilometer durch die Wild- nis zu reiten. Lässt sich der Stre- ckenverlauf da genau festlegen? In den USA waren wir auf einem Fern- wanderweg unterwegs, der weitestge- hend vorgegeben war. Manche Passa- gen waren für die Pferde nicht ideal, etwa über Berggip- fel. Da haben wir alternative Routen gesucht. Im Süden der USA sind wir von Dorf zu Dorf geritten, das wa- ren etwa immer zwei Wochen, so viel Proviant hatten wir dann dabei. Im Kanada waren es schon vier Wochen Abstand und im Norden haben wir uns Proviantde- pots in die Wildnis fliegen lassen. Ernsthaft? Wie plant man denn das? Ja, da oben gibt es kaum Zivilisation. Nach der Erfahrung von den 5000 Ki- lometern durch die USA konnten wir schon ziemlich genau abschätzen, wie lange wir für eine Strecke brauchen. Wir haben mit Jägern Kontakt aufge- nommen, die ihre Camps mit kleinen Flugzeugen erreichen. Sie haben un- seren Proviant mitgenommen. Und was bekamen die Pferde zu fressen? Nur Gras. Wir haben geschaut, dass wir nur dort unser Lager aufschlagen, wo es gutes Futter gab. Aber die fin- den mehr als genug, sie brauchten nur genug Zeit. Sie ritten nur im Sommer? Ja, imWinter haben wir für die Pferde immer eine Unterkunft gesucht und für uns ein Quartier in der Nähe. Und zwischendurch sind wir nach Hause geflogen, um Vorträge zu halten. Ein Härtetest für die Hufe. Sind Ihre Pferde beschlagen? Wir sind in den USA zwei Jahre lang barhuf geritten mit Hufschuhen. Das hat sehr gut funktioniert. Aber für uns ist es viel aufwendiger gewe- sen: Vier Pferde, 16 Hufe, bis da al- le Schuhe an- und ausgezogen waren. Im Norden der USA gerieten wir oft in Sumpflöcher, in denen die Huf- schuhe verschwanden. Dann haben wir uns wieder für Hufeisen entschie- den. Günter macht den Beschlag und die Hufpflege selber. Auf so einem Ritt muss man das selbst können. Sumpflöcher? Das hört sich gefährlich an. Es gab schon brenzlige Situationen. Im Norden Kanadas gibt es sehr breite und tiefe Flüsse, da mussten die Pferde schwimmen ? mitsamt uns, den Sätteln, dem Gepäck. Der breiteste Fluss war einen Kilometer breit, wir querten ihn zehn Kilometer unterhalb des Gletschers, die Was- sertemperatur betrug nur 4 Grad. Wir wussten, dass wir nicht ins Was- ser fallen dürfen. Und bei den Pfer- den bestand die Gefahr, dass sie ei- nen Krampf bekommen. War Angst jemals ein Thema? Ja schon immer wieder. Ich denke, Angst ist schon auch wichtig, weil sie einen warnt. Bei uns kam jeden Som- mer eine neue Herausforderung da- zu: Am Anfang war es das unterwegs sein an sich, dann die Berge, Bären und Wölfe, große Flüsse. Ich glaube, wenn man etwas Neues wagt, geht es darum, sich selbst gut zu kennen: Ist mir das zu viel oder ist das ein Schritt aus der Komfortzone? Den Zusammenhalt zwischen Pferd und Reiter wird man wohl nie intensiver erleben, als wenn man jahrelang gemeinsam unterwegs ist. Wie genau ken- nen Sie Ihre Pferde? Schon sehr gut. Jedes Pferd hat sei- nen Charakter. Wir empfinden sie nicht als unsere Lastenträger sondern es sind unsere Freunde. Wenn ich sie anschaue, dann weiß ich, was sie den- ken. Wir sind schon ein sehr gut ein- gespieltes Team. Wenn ich in Öster- reich und Deutschland bin, werde ich immer wieder zum Reiten eingeladen. Da sage ich meistens nein. Mir geht es nicht ums reiten sondern darum, mit unseren vier Pferden unterwegs zu sein. Ob den Pferden so lange Touren gefallen? Das glaube ich schon. Jedes domesti- zierte Tier braucht eine Aufgabe. Un- sere stehen den ganzen Winter auf der Weide. Da machen sie nichts an- Ein Kilometer schwimmen durch vier Grad kaltes Wasser. Das war brenzlig.? Sonja Endlweber, Abenteuerreiterin 6 Reiter-Kurier · Oktober 2018

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