Reiter-Kurier September 2018

Rüst i ge Rösser Wenn unsere Pferde in die Jahre kommen Tierheilpraktikerin Anita Ruckriegel über den natürlichen Alterungsprozess D ie Organe werden im Laufe der Zeit schwächer in ihrer Leistung ? am meisten be- kannt ist die Herzschwäche, die zu Leistungsminderung führt, weil der Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden kann. Aber auch die Ausscheidungsorgane wie die Leber und die Nieren neh- men in ihrer Leistungsfähigkeit ab, so dass es zur Ansammlung von Ab- fallprodukten und Schlackstoffen im Bindegewebe und in den Gelenken kommt, und die Lymphbahnen ver- stopft werden. Natürlich nimmt auch die Stoffwechselleistung ab und auch der Darm ist oft in seiner Funktion eingeschränkt ? das Ergebnis ist, dass das Pferd trotz gleichbleibender Füt- terung und Futtermenge beginnt ab- zunehmen. Egal wie gut das Tier frü- her sein Futter verwertet hat, wie we- nig Menge es bekommen durfte, um nicht fett zu werden ? jetzt ist es ab- solut notwendig, die Futtermenge zu erhöhen. Die Besitzer müssen oft aufgeklärt werden, dass man Musku- latur nicht auftrainieren kann, wenn der Körper in einer Mangelsituation ist und das ist er, wenn er zu mager ist und abnimmt. Natürlich muss auch an die Pferdezähne gedacht werden, die sich in zunehmendem Alter sehr verändern können ? von ungleich- mäßigen Kaubewegungen mit soge- nannten Zahnhaken, die schmerz- hafte Verletzungen verursachen, über abgenutzte Zähne, die unter Umständen auch ausfallen können bis zu rückgebildeter Kaumuskula- tur durch schlechte Zähne. Es macht Sinn, bei einem älteren Pferd präventiv Blutuntersuchungen machen zu lassen, um Einschrän- kungen und Probleme frühzeitig zu erkennen und gegensteuern zu kön- nen. Auf der Grundlage solcher Be- funde und der Untersuchung durch einen Therapeuten können individu- elle Behandlungspläne zur Regenera- tion und Funktionsverbesserung al- ler Körperstrukturen erstellt werden. Jeder Pferdebesitzer sollte re- gelmäßig kritisch hinterfragen, ob Haltung, Fütterung und Belastung für dieses spezielle Pferd passen und bei Mängeln für ein verbessertes Ma- nagement sorgen. Ein Pferd muss nicht erst durch Krankheit zeigen müssen, dass etwas nicht stimmt. Text: Tierheilpraktikerin Anita Ruckriegel, Leiterin der Atropa Akademie in Augsburg und 1. Vorsitzende des Internationalen Tierheilpraktikerverbandes. zu erreichen und hitzebedingten Ap- petitverlust zu mindern?, empfiehlt Dr. Julia Mack. Bei der Fütterung von sogenann- tem Seniorfutter müsse man unbe- dingt darauf achten, ob es Melasse zur Verbesserung der Schmackhaf- tigkeit enthält, rät die Tierärztin. Bei Pferden, bei denen nicht bekannt ist, ob ein Equines Metabolisches Syn- drom oder Cushing-Syndrom vor- liegt, sind solche leicht verdaulichen Kohlenhydrate hinsichtlich der Ent- wicklung einer Hufrehe problema- tisch und sollten daher nicht ver- füttert werden, rät Dr. Julia Mack. ?Grundsätzlich sollten Änderungen der bestehenden Ration langsam vor- genommen werden, um der Darmflo- ra Zeit zu geben, sich an die neue Ra- tion anzupassen.? Wenn Kraftfutter gefüttert wird, sollte gegebenenfalls darauf geachtet werden, dass es einen niedrigen Cal- ciumgehalt aufweist, da alte Pferde ein höheres Risiko der Entstehung von Nieren- und Blasensteinen haben und generell häufig eine beeinträch- tigte Nierenfunktion aufweisen. Bei schlechtem Zahnstatus und Unter- gewicht kann neben eingeweichten Heucobs auch eine Gabe von einge- weichten Rübenschnitzeln erfolgen, um den Ernährungszustand zu ver- bessern. Gleichzeitig wird durch das Einweichen auch die Wasseraufnah- me erhöht. ?Gaben von Zusatzfutter wie Grascobs oder Kraftfutter sollten unbedingt auf mehrere Mahlzeiten verteilt werden, um die Aufnahme bei gleichzeitig guter Verträglichkeit zu erhöhen. Die Energieaufnahme kann außerdem durch die Gabe von Pflan- zenöl verbessert werden.? So alt ist mein Pferd in Menschenjahren Beim Pferd hängt das physiologische Alter nicht von der Zahl auf den Papieren ab, sondern von der Genetik und der Umwelt. Bei Hunden geht man pro Lebensjahr von sieben Menschenjahren aus, beim Pferd haben amerikanische Forscher eine andere Tabelle errechnet. Demnach altert das Pferd nicht etwa linear: Das erste Lebensjahr des Pferdes steht für zwölf menschliche Jahre. Das zweite Pferdelebensjahr für sieben menschliche Jahre. Für Pferdele- bensjahr drei, vier und fünf addiert man je vier Menschenjahre hinzu. Ab dem sechsten Lebensjahr rechnet man für jedes Jahr zweieinhalb Menschenjahre. Das heißt, ein siebenjähriges Pferd ist auf Menschenjahre umgerechnet 36, ein 19-jähriges 66. Erreicht ein Pferd ein Alter von 33 Jahren, ist es stolze 101 Menschenjahre alt. Reiter-Kurier · September 2018 11

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