Reiter-Kurier Oktober 2017

Reiter-Kurier · Oktober 2017 35 REPORTAGE Jeder Tag ist wie eine Gelassenheitsprüfung ROSENHEIM 40.000 Polizisten gibt es in Bayern. 40 davon verrichten ihren Dienst hoch zu Ross. Drei von ihnen geben einen Einblick in einen Traumjob ? und in das Training eines Polizeipferdes. S chüsse in der Reithalle sind nichts Ungewöhnliches. Blau- licht auch nicht und hin und wieder gibt?s auch Rauch. Vulkan, Cä- sar, Cappuccino, Domino und Eska- dron sind das Training längst gewohnt, die erfahrenen Polizeipferde haben auf ihren Einsätzen schon einiges er- lebt. Uwe Meixner auch, für den Poli- zeihauptkomissar gehört Reiten seit 30 Jahren zum Job. Dabei konnten da- mals weder er noch seine Kollegen Ro- bert Staber und Bernhard Loferer rei- ten. ?Wir mussten einen Crashkurs ma- chen?, erinnern sie sich und müssen la- chen: Heute sind die drei begeisterte Reiter. Die Rosenheimer Reiterstaf- fel sollte 1987 ein Pilotprojekt für eine flächendeckende Versorgung mit Poli- zeireitern werden. Allerdings fanden sich keine Polizisten mit Reitkenntnis- sen ? also meldeten sich die drei frei- willig. ?Eher aus der Gaudi heraus und wegen der Herausforderung?, erzählt Robert Staber. ?Ich habe ja gar nicht ge- wusst, was Reiten überhaupt bedeutet. Und jetzt schau uns an: Wir sind Rosse- rer geworden?, meint Staber grinsend. Polizeiführer sind sich des Ein- satzwertes der Pferde bewusst: Kaum mehr eine Großveranstaltung in Süd- bayern wird ohne die Reiterstaffel be- gleitet. ?Pferde sind imposant, da wei- chen sogar Hooligans zurück?, sagt Uwe Meixner. Beim Ski-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen, dem Biath- lon-Weltcup in Ruhpolding oder dem ?Chiemsee Summer? in Übersee gehö- ren die Polizeireiter schon zum Inven- tar. Auch bei Sucheinsätzen sind die Reiter gefragt. ?Wir haben schon Ver- misste in Brennesseln oder im Schilf gefunden, weil wir vom Sattel aus viel mehr sehen.? Jüngst patrouillierten sie in den Wäldern bei Altötting, weil dort ein Exibithionist Spaziergänger belästigte. Eine Verbrecherjagd zu Pferd kommt selten vor. Robert Sta- ber galoppierte einmal einem Motor- radfahrer hinterher, weil er über ei- nen gesperrten Waldweg fuhr. Mit unerlaubtemMüllabladen und wildem Campen haben sie es öfter zu tun. Unbestritten ist, dass die Poli- zisten und ihre Pferde Sympathie- träger sind. ?Wir sind ganz nah dran an den Leuten, wir kommen ins Ge- spräch.? Pferde schaffen es sogar, brenzlige Situation zu entschärfen, da sie keine Aggressivität ausstrah- len. ?Darf ich mal streicheln? würden sogar betrunkene Fußballfans fragen. Nach Gewaltverbrechen oder Mordfäl- len kommt es vor, dass die berittene Polizei eine Zeit lang in der Umgebung Streife reitet. Uwe Meixner erzählt von einem drei- wöchigen Einsatz nach dem Doppel- mord in Höfen. ?Die Leute sehen, das wir präsent sind. Das trägt enorm dazu bei, das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu verbessern.? Neben den Einsätzen im Sattel, gehört zum Job die tägliche Versor- gung ihrer vierbeinigen Partner ? und das Training. ?Es ist elementar wich- tig, dass unsere Pferde sicher und ge- horsam sind. Das gehört zum Hand- werkszeug?, sagt Uwe Meixner. Alle zwei Wochen kommt der Reitlehrer; er achtet auf harmonische Übergän- ge, Gymnastizierung, Anlehnung und Durchlässigkeit. Jede Reitstunde en- det mit einem Schrecktraining ? damit die Pferde für unerwartete Ereignisse im Einsatz vorbereitet sind. ?Bei uns ist jeder Tag wie eine Gelassenheits- prüfung?, meint Bernhard Loferer. Pferde schaffen es, brenzlige Situationen zu entschärfen? Uwe Meixner, Polizeihauptkommissar Bei der monatlichen Großübung in München werden Einsatzszena- rien nachgestellt. Die Pferde lernen dort zum Beispiel, durch Menschen- mengen zu gehen. Polizisten mimen dann randalierende Fußballfans, be- trunkene oder bewaffnete Menschen. ?Das Training ist auch wichtig für un- sere Kollegen am Boden, damit sie wissen, wie die Pferde reagieren.? Zivile Reiter können sich vom Training der Reiterstaffel durchaus etwas abschauen: kleine Schritte ma- chen und dranbleiben. ?Wichtig ist, dass man sich immer vom Kleinen zum Großen steigert. Wenn etwas ge- klappt hat, sollte man das Pferd loben und es gut sein lassen?, erklärt Robert Staber. So schaffe man eine Vertrau- ensbasis, auf der man aufbauen kön- ne. ?Das Pferd braucht immer ein Er- folgserlebnis. Und beim nächsten Mal kann man sich steigern.? Auch ein Polizeipferd bleibt ein Fluchttier: Es kommt gelegentlich vor, dass ihm die Situation im Ein- satz zu viel wird. ?Dann müssen wir wegreiten, das geht dann nicht an- ders?, erklärt Uwe Meixner. Wenn es brenzlig wird, reiten die Polizisten stets in Anlehnung. ?Ein Festum- zug am langen Zügel, das machen wir nicht. Wenn etwas passiert, kann man schneller reagieren.? Ein Privatpferd hat keiner von den dreien. Robert Staber wird sich wohl ein Pferd kaufen, wenn er in Ren- te geht. ?Da freuen sich meine Töch- ter jetzt schon drauf.? Uwe Meixner wird die Reiterstaffel aber zuerst ver- lassen. Und dann ein Leben ganz oh- ne Pferde? Da muss er grinsen. ?Ich werd?s versuchen. Aber ich glaub, ohne geht es gar nicht mehr.? Text/Fotos: Judith Schmidhuber

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